Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska
Außerdem leuchtet mir nicht ein, was dieser Schamenenhokuspokus damit zu tun haben sollte.«
»Vor noch nicht allzu langer Zeit habe ich von einer Theorie gehört«, fuhr Lebenov fort, »die besagt, dass die freie Energie im Universum unerschöpflich ist. Wir müssen nur den richtigen Mechanismus finden, um sie zu erschließen, dann werden wir in Zukunft keinerlei fossile Brennstoffe mehr benötigen, sondern können unsere Energie sozusagen aus Luft und Wasser gewinnen.«
»Das wäre aber schlecht fürs Geschäft.« Bashtiri stand der Spott ins Gesicht geschrieben.
»Keine Ahnung, was das für Auswirkungen hätte. Vielleicht könnte man sich das dazu passende System patentieren lassen?«
»Und was hat das Ganze mit Leonid Aldanov und seiner Sippe zu tun?«
»Wenn man dem Tagebuch glauben schenken kann, ist er ein Nachfahre jener besonderen Rasse von tungusischen Schamanen, die das sogenannte Schamanenfeuer entfachen konnten. Nach einer sibirischen Legende, die im Zusammenhang mit dieser Theorie der Energiegewinnung erwähnt wurde, soll es schon den Schamanen in der Steinzeit möglich gewesen sein, allein kraft ihrer Gedanken gewaltige Blitze zu erzeugen. Damit konnten sie ihrem Stamm das Feuer sichern – in Zeiten, in denen unsere Vorfahren noch keine Ahnung hatten, wie man es selbst entfacht. Manchmal setzten die weisen Männer ihre Fähigkeiten aber auch als Waffe gegen einen anderen Stamm ein.«
»Und was wäre daran heute so gefährlich? Mittlerweile existieren Waffen, die weitaus fürchterlicher sind als ein Blitzschlag.«
»In dem Artikel ging es um die mögliche Herstellung von Antimaterie durch natürliche Phänomene. Nur ein paar Gramm davon könnten die Welt zerstören. Bisher ist es internationalen Forschern nur in Teilchenbeschleunigern |365| gelungen, etwas Vergleichbares zu reproduzieren. Aber die Mengen reichen nicht aus, und außerdem hält sich die Substanz nicht lange genug, um sie tatsächlich nutzbar zu machen. Wenn man Schenkendorffs Ausführungen glauben darf, scheint es sich bei diesem ominösen Schamanenfeuer um eine ähnlich gefährliche Energie zu handeln. Nur dass man es nicht als solche bezeichnete. Er geht soweit zu behaupten, dass die Explosion von Tunguska ihren Ursprung in eben dieser Macht der Schamanen hatte. Nach dem Glauben dieser Leute hat der Feuer- und Donnergott Ogdy eine Warnung ausgestoßen, um Unbotmäßigkeiten zu bestrafen, und die beiden Schamanen, die als Einzige in der Lage waren, ein solches Wunder zu vollbringen, samt Helfer getötet. Aber angeblich sollte nach ein paar Generationen ein neuer Schamane geboren werden, der die Macht besitzt, nicht nur Blitze zu erzeugen, sondern deren helle Energie in dunkle zu wandeln, um damit den Dämonen der Unterwelt zu neuer Macht zu verhelfen. Also, das mag sich vielleicht verrückt anhören, aber ich denke, wir sollten der Sache nachgehen.«
»Und warum hören wir erst jetzt etwas davon? Du warst Angehöriger des Geheimdienstes. Deine Leute hätten doch wissen müssen, ob man hier vor gut einhundert Jahren eine Bombe gezündet hat?«
»Kuropatkins Pläne, eine außergewöhnliche Bombe zu bauen, waren allgemein bekannt. Offiziell ist es ihm allerdings nie gelungen. Das war sicher einer der Gründe, warum man ein halbes Jahrhundert später der größten Wasserstoffbombe aller Zeiten den Namen ›Zar-Bombe‹ verlieh. Wenn man dem Tagebuch Glauben schenken darf, ist der erste Versuch, eine frühe Form der Bombe im Jahre 1908 zu konstruieren, gründlich daneben gegangen, und wer lässt sich in einer solchen Situation schon gern in die Karten schauen? Der Kriegsminister hat in seinem eigenen Interesse und im Auftrag des Zaren sämtliche Hinweise vernichten lassen, damit die durchaus brauchbaren Ansätze nicht in die Hände der Feinde Russlands gerieten. Ganz zu schweigen von dem seltsamen Mysterium, das die Angelegenheit umgab. Die Schamanen sind bei dem Unglück ums Leben gekommen, und die beteiligten Wissenschaftler waren tot, oder man hat sie liquidiert, um zu vermeiden, dass sie mit ihren Erkenntnissen ins Lager der Bolschewiki wechseln konnten. Schenkendorff selbst galt als vermisst. Dass er bei einer tungusischen |366| Familie Unterschlupf erhalten hatte und nachher dort einheiratete, entging den Behörden dann in den Wirren der Revolution.«
»Und du denkst tatsächlich, dass Leonid Aldanov ein Nachfahre dieser geheimnisvollen Schamanen ist?« Bashtiri seufzte. »Wie kommst du auf so einen Unsinn? Wenn Aldanov
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