Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska
wirklich so außergewöhnliche Kräfte besitzt, warum hat er sie nicht längst angewandt? Wieso sitzt er dann drüben in der Baracke und rührt sich nicht?«
Lebenov grinste ironisch. »Vielleicht weiß er nichts von seinem Glück. Zudem habe ich ihm eine Ladung mit dem Taser verpasst. Das sollte seine Energien fürs Erste gedrosselt haben.«
»Besser hättest du ihn gleich ins Jenseits geschickt. Er ist dir schon zweimal entwischt. Eine dritte Chance bekommst du vielleicht nicht.«
Lebenovs Miene wurde sofort wieder ernst. »Zunächst musst du dich wohl fragen, warum er überhaupt noch am Leben ist. Schließlich haben meine Leute alles unternommen, um ihn und die Delegation des Präsidenten zu liquidieren.«
»War es nicht so, dass Aldanov zunächst entkommen konnte und es vier
deiner
Männer den Hals gekostet hat?«
»Danach habe ich meine besten Leute auf ihn angesetzt«, rechtfertigte sich Lebenov. »Sie haben mir bei ihrem Leben und ihrer Ehre versichert, dass sie ihn eigenhändig im Terek ertränkt haben.«
»Und jetzt denkst du, er ist eine Katze und hat neun Leben.« Bashtiri lächelte boshaft. »Wenn es nach seinem Aussehen geht, könntest du recht behalten.« Er schenkte sich einen weiteren Whiskey ein und zögerte einen Moment, als Lebenov ihm abwartend das leere Glas entgegenhielt. Mit einem leisen Schnauben goss er ihm nach.
»Was willst du von mir, Andrej?« Bashtiri wirkte sichtlich genervt. »Soll ich Superman den roten Teppich ausrollen, anstatt ihn in die ewigen Jagdgründe zu schicken? Ich halte das für keine gute Idee. Wenn wir offizielle Stellen einschalten, haben wir den FSB am Hals, und das ist das Letzte, was ich uns im Augenblick wünsche. Schaff ihn endlich weg, und wir haben unsere Ruhe.«
»Nein, bevor wir Aldanov kaltstellen, werden wir Doktor Swerew hinzuziehen. Er ist ein renommierter Wissenschaftler, der schon seit Jahren auf der Gehaltsliste unseres Unternehmens steht. Außerdem hat er nichts dagegen, sich etwas dazu zu verdienen. Er hat bereits die |367| beiden Leichen untersucht, die wir im See gefunden haben. Sein Team kennt sich aus. Soweit ich weiß, hat er sich lange vor dieser Zeit im Auftrag der Föderation mit parapsychologischen Phänomenen beschäftigt und wie man sie für militärische Zwecke nutzen könnte. Ich werde ihm noch heute Abend eine Kopie des Tagebuches per E-Mail zukommen lassen. Außerdem hat Rebrov mir einen Bericht über den Bunker hereingegeben, der auf interessante Informationen hoffen lässt. Ich werde Swerew auffordern, hierherzukommen, damit er sich das Ding einmal anschauen kann.«
»Und was sollte das bringen?«, wollte Bashtiri wissen.
»Sergej, kapierst du es nicht? Wenn an der Sache etwas dran ist und Aldanov uns das Konzept dieser Waffe verrät, sind wir gemachte Leute. Der Präsident der Russischen Föderation wird uns nicht nur mit Lob überschütten, sondern auch mit den dazu gehörigen finanziellen Mitteln ausstatten.«
»Und was wird, wenn er es nicht tut?«
»Falls kein Interesse besteht, können wir Aldanov immer noch zur Strecke bringen, und man wird uns ehren, weil wir das Land von einem gefährlichen Terroristen befreit haben.«
Mit weichen Knien folgte Viktoria den Frauen in die abgedunkelte Jurte. Überall hatten die Dorfbewohner Kerzen aufgestellt. In dem einzigen Zimmer herrschte das reinste Chaos. Die Möbel standen nicht mehr an ihrem Platz, die Teppiche hatte jemand von den Wänden gerissen, und das wenige, was an Dekorationsgegenständen vorhanden gewesen war, lag verstreut auf dem Fußboden. Viktoria hob Leonids Bild auf und stellte es zurück auf die Kommode. Inmitten all dieser Unordnung lag der Leichnam des Makar Schirov aufgebahrt auf dem großen Sofa und bot ein Bild des Friedens. Äußerlich schien er unverletzt, und seine Gesichtszüge waren so entspannt, dass man hätte meinen können, er schliefe nur.
Leonids Großmutter beugte sich mit gefasster Miene über ihren Mann und küsste ihm die Stirn, dann machte sie ein Kreuzzeichen. Ganz langsam erhob sie sich und sah in die Runde, bis sie Viktoria entdeckte. Durch ein Spalier von schweigsamen Dorfbewohnern ging sie auf die Deutsche zu und forderte sie auf, sich zu ihr hinunterzubeugen.
|368| Viktoria sah sie aufgebracht an. »Sie müssen die Polizei einschalten, Vera Leonardowna. Wenn es ein Mord war, können Sie es nicht auf sich beruhen lassen. Was ist, wenn es Lebenovs Männer waren?«
Leonids Großmutter ging auf ihren Vorschlag nicht
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