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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Gefühl, das sie unvermittelt empfand. Mit einem mühsam gestellten Lächeln gab sie das kaum geleerte Glas an Bashtiri zurück. »Ich muss mal für kleine Mädchen.«
    Ohne seine Antwort abzuwarten, stand sie auf und verließ das Lagerfeuer in Richtung Waschhaus, wo auch die Toiletten zu finden waren. Im Gehen spürte sie nicht nur die Blicke des Oligarchen auf sich ruhen, sondern auch die seiner Söldner.
    Das ungute Gefühl verstärkte sich noch, als sie anschließend hinunter zum See schlich. Einem Kerl wie Theisen konnte sie Paroli bieten. |50| Bashtiri jedoch gehörte zu jener Sorte von Männern, die sich holen würden, was sie begehrten.
    Eigentlich wollte sie für einen Augenblick alleine sein. Immer noch spukte ihr der Kerl mit dem Wolf im Kopf herum. Ein Mann und ein Wolf. Wie romantisch. Zu gerne hätte sie den Typen näher kennen gelernt. Gleichzeitig musste sie schmunzeln. Das ganze Jahr über war sie zu beschäftigt gewesen, um sich auch nur für einen einzigen Kerl zu interessieren, und ausgerechnet in dieser Einöde, sozusagen am Ende der Welt, waren es nun gleich drei, die sie – wenn auch aus verschiedenen Gründen – in Unruhe versetzten.
    Plötzlich sah sie einen Schatten, der aus einem Gebüsch hervortrat. Erschrocken drehte sie sich um.
    Es war Kolja, der ihr unaufgefordert gefolgt war.
    »Vor Bashtiri musst du dich in acht nehmen«, bemerkte er raunend. »Er hat es auf dich abgesehen.«
    »Was du nicht sagst«, spöttelte sie und lenkte ihren Blick überrascht zum Himmel. Über dem Hügel erhellten aufflackernde Lichter den Horizont, gefolgt von einem changierenden Schleier, der unvermittelt in einer Wellenbewegung am nachtblauen Firmament vorüberzog.
    »Schau mal!«, sagte sie und warf Kolja einen fragenden Blick zu. »Was war das? Ein Gewitter?«
    »Eine spezielle Form von Wetterleuchten, wie es nur in dieser Region vorkommt, kombiniert mit einer Art Nordlicht«, erwiderte er leise. »Weiter oben im Norden nennen sie es das Feuer der Schamanen«, fügte er dunkel hinzu. »Es bedeutet, dass ein mächtiger Schamane gerade sein Unwesen treibt und sich mit den Geistern der Unterwelt verbündet, um den Menschen Schaden zuzufügen. Nicht unbedingt ein gutes Omen.«
    »Das ist nicht dein Ernst.« Viktoria sah ihn im Halbdunkel ungläubig an und lachte verhalten.
    »Wer weiß …«, antwortete Kolja ausweichend, dabei fuhr er sich mit der Rechten nervös durch die struppigen roten Haare. »Die Urbevölkerung Sibiriens hat ihre eigene Wahrheit, die in weiten Teilen dieser Gegend immer noch Gesetz ist, auch wenn so mancher es lieber verdrängen möchte.«

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    Januar 1905, Sankt Petersburg – Deportation
    Nach einer endlos lang erscheinenden Nacht, in der Leonard wie eingefroren zwischen den eisigen Mauern saß, öffnete sich völlig unvermittelt die Tür zu seiner Zelle.
    Seine vorläufige Behausung befand sich nun im allgemeinen Gefangenenblock, in dessen 36 Einzelzellen sich nur die Crème de la Crème der russischen Gesetzesbrecher tummelte. Aufrührer, Terroristen und Mörder. Ein Tisch, ein Bett, ein Stuhl und eine einzige Mahlzeit waren das, was man ihnen zugestand.
    »Aufstehen, Schenkendorff!«, brüllte sein unangemeldeter Besuch, ein Wächter, der ihm mit linkischer Achtsamkeit die eisernen Fußfesseln lockerte.
    Leonard erhob sich mühsam. Konnte man so schnell altern, nur weil man etwas Furchtbares erlebt hatte? Man konnte, dachte er nüchtern und folgte dem Wächter schleppend in einen lang gezogenen Flur. Mit seinen Gedanken war er bei Katja, und nichts wünschte er sich sehnlicher, als sie noch einmal in seinen Armen zu halten.
    Getrieben von seinem uniformierten Begleiter wanderte er auf wackeligen Beinen durch endlose Gänge, vorbei an Abzeichen und Wimpeln und einem Bildnis des Zaren und seiner angeblich unbesiegbaren Armee. Leonard kannte diesen Ort. Hier hatte man ihn in den letzten zwei Wochen wieder und wieder verhört. Nicht so brutal wie beim ersten Mal, doch an Grausamkeit hatten die subtilen Methoden der dritten Abteilung einer körperlichen Bestrafung in nichts nachgestanden.
    Vor einer der hohen Flügeltüren gebot ihm der Wachmann Einhalt. Halblaut klopfte der Uniformierte auf das weiß lackierte Holz, bis eine Stimme aus dem Innern des Zimmers Einlass gewährte. Der Mann schlug die Hacken zusammen, dann meldete er in einem schneidigen Tonfall die Ankunft des Gefangenen. Nach einer dahingemurmelten Bestätigung wandte er sich um und stieß Leonard mit

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