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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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schüttelte mit einem ironisch klingenden Lachen den Kopf.
    »Das hier, mein Lieber, wird ein Pakt mit dem Teufel … oder ein Pakt mit dem Tod, ganz wie es Ihnen beliebt.«
    Leonard war sprachlos. Für einen Moment rang er nach Worten.
    »Also gut«, sagte er leise, »was wollen Sie von mir?«
    »Ich will, dass Sie einen Abschiedsbrief schreiben«, erwiderte der Geheimrat. Sein Blick war so harmlos, dass Leonard tatsächlich für einen Moment glaubte, es solle sich um einen gewöhnlichen Abschiedsbrief an seine Eltern handeln, in dem er ihnen von seiner Verhaftung und seiner anschließenden Deportation berichtete. Obschon er ahnte, dass Männer wie Michajloff mit ihrer aufgesetzten Güte nur spielten. In Wirklichkeit waren sie grausame Wölfe, die nicht aus Hunger, sondern nur noch für Ruhm und Ehre auf die Jagd gingen.
    »Ich will, dass Sie sich das Leben nehmen«, sagte er kühl, und bevor Leonard begriff, was er mit dieser Ungeheuerlichkeit gemeint hatte, war er schon fortgefahren, um dieser unglaublichen Forderung noch etwas hinzuzufügen. »Natürlich nur auf dem Papier. Der Brief wird in einem offiziellen Schreiben an Ihre Eltern versandt, mit dem Hinweis, dass Sie sich in Ihrer Zelle vor Verzweiflung erhängt haben. Ihre Leiche haben wir anschließend in einem Massengrab beigesetzt. Leider lässt sich den Unterlagen nicht mehr entnehmen, unter welcher Nummer die Beisetzung stattgefunden hat. Nachdem man Sie nun offiziell für tot erklärt hat, werden Sie in einem Spezialtransport der russischen Streitkräfte nach Sibirien in ein geheimes Lager deportiert, dessen Existenz nur Eingeweihten bekannt ist. Bis dahin erhalten Sie keine weiteren Informationen, und es ist Ihnen auch nicht erlaubt, vor dieser Abreise mit irgendeinem Menschen Kontakt aufzunehmen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    Leonard wollte ansetzen, etwas zu entgegnen, doch seine Stimme drohte ihm den Dienst zu versagen.
    »… das Mädchen«, stieß er atemlos hervor. »Sie haben gesagt, dass sie leben wird – genauso wie ich!« Tränen erstickten seine Stimme. »Jekatherina Davydova kommt lebenslänglich in ein Lager nach Tomsk. Auch ihr werden wir sagen, dass Sie sich umgebracht haben, und solange Sie gehorsam in unseren Diensten stehen, wird es ihr an |57| nichts mangeln. Sollten Sie es sich anders überlegen, können wir unsere Entscheidung zur Exekution jederzeit erneuern.« Michajloff öffnete abermals eine Schublade und entnahm eine Pfeife und etwas Tabak, und während er in Seelenruhe seine Pfeife stopfte, verlor Leonard beinahe den Verstand.
    »Und wie erfahre ich, ob es dem Mädchen gutgeht, ob sie lebt und bei Kräften ist? Denken Sie ernsthaft, ich lasse mich von Ihresgleichen versklaven, ohne zu wissen, ob Sie den Preis dafür bezahlen werden? Nein!«, stieß er schnaubend hervor und sprang auf.
    Während er Michajloff mit wutverzerrtem Gesicht anstarrte, lehnte der Geheimrat sich in seinem blattgoldverzierten Sessel zurück und zog genüsslich an seiner Pfeife. Seelenruhig stieß der Mann der Dritten Abteilung eine Rauchwolke aus. Dann grinste er süffisant.
    »Auch daran haben wir gedacht«, antwortete der Geheimpolizist beinahe amüsiert. »Der jungen Frau wird erlaubt werden, regelmäßig an ihre Mutter zu schreiben. Die Briefe werden jedoch nicht an die Frau Mutter versandt, sondern zu Ihnen ins Lager geschickt, unzensiert, wie Sie sehen werden. Und somit sind Sie stets im Bilde, wie es ihr geht, und haben damit einen direkten Einfluss darauf, ob ihr nicht Unvorhergesehenes zustößt.«
    Wie betäubt brachte Leonard unter den Anweisungen Michajloffs den Brief zu Ende, dabei hatte er das Gefühl, auf die Hände einer Marionette zu schauen, während die Feder über das Papier kratzte.
    Danach führte man ihn zurück in seine Zelle. Niemand hatte ihm gesagt, was man im Lager von ihm erwarten würde, noch wohin genau die Reise ging. Dass es etwas Wichtiges sein musste, konnte er sich denken. Hoffentlich war es wichtig genug, dass man ihn nicht bei nächster Gelegenheit aus dem Weg räumte. Tot war er nun schon – wem würde es auffallen, wenn ein Namenloser in der Newa schwamm? Oder in der sibirischen Steppe von Wölfen zerfleischt wurde. Aber er musste leben – nicht für sich, sondern für seine Eltern und in allererster Linie für Katja. Eines Tages würde er sie wieder in seine Arme schließen, und wenn er dafür über Leichen gehen musste.
     
    Am nächsten Tag konnte er aus einem vergitterten Fenster im zweiten Stock

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