Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska
Ajaci den Anschluss behielt. Für den Hund schien die Verwirrung perfekt, wahrscheinlich waren ihm nie zuvor so viele verschiedene Gerüche begegnet.
Das Klingeln seines Mobiltelefons störte Oberst Pokrovskij in einer wichtigen Besprechung. Seit dem frühen Morgen waren die Kameras in den Metrostationen ausgefallen, so dass verstärkt Sicherheitskontrollen auf Plätzen und Bahnhöfen durchgeführt werden mussten.
»Die Deutsche hat telefoniert«, sagte die Stimme. Pokrovskij wusste sofort, wer gemeint war. »Vor ungefähr fünf Minuten. Mit der deutschen Botschaft. Es sieht ganz danach aus, als wollte sie dorthin. Es war in der Metrostation am Komsomolskaja-Platz. Allem Anschein nach ist sie in die Metro eingestiegen und fährt Richtung Moskwa.«
»Ist Aldanov bei ihr?«
»Keine Ahnung. Wir hatten noch keinen Sichtkontakt.«
»Ihr müsst sie vorher erwischen. Sie ist eine wertvolle Zeugin. Wenn |466| es ihr gelingt, auf das Botschaftsgelände zu fliehen, kriegen wir sie nicht mehr. Verstanden?«
»Zu Befehl, Bogdan Bogdanowitsch. Die Jungs werden dich nicht enttäuschen.«
Unweit des Kremls überbrachte ein weiß behandschuhter Butler das Telefon an Sergej Bashtiri, der sich in diesem Moment zwischen den willigen Schenkeln einer zwanzigjährigen Edelhure vergnügte. Nach seinem spartanischen Aufenthalt in den sibirischen Wäldern hatte er einiges nachzuholen. Zumal seine drei Gespielinnen, die er für den vermeintlichen Abenteuerurlaub im besten Etablissement Moskaus gebucht hatte, sich nicht an die Vereinbarungen gehalten hatten und nach der Flut im Camp abgereist waren. Als Angebot zur Güte hatte ihm die Managerin des berüchtigten »Moskwa-Doll-House« die feurige Tatjana geschickt. Gleich eine ganze Woche und dazu kostenfrei sollte ihm die junge, schwarzhaarige Dirne mit den riesigen Naturbrüsten rund um die Uhr zur Verfügung stehen.
Da Antonov immer noch nicht auf den Beinen war, hatte er für seinen Butler einen Ersatz engagieren müssen. Josephowitsch, ein älterer Mann mit schütterem Haar, zögerte; er war es nicht gewohnt, seinen Chef beim Vögeln zu stören.
Schwer atmend nahm Bashtiri den Telefonhörer entgegen, während er mit nicht nachlassender Intensität in Tatjana stieß.
»Wir haben sie aufgespürt«, erklärte ihm Jurij mit freudiger Stimme. »Sie sind in die Metro gestiegen. Ich bin mit Mischa an ihnen dran und habe bei Fjodor Verstärkung angefordert, falls sie zur deutschen Botschaft wollen.«
»Ich sagte doch«, brüllte Bashtiri mit keuchendem Atem, »sobald ihr sie habt, zögert nicht. Gebt ihnen den Rest, bevor es ihnen gelingt, sicheres Terrain zu erreichen. Und – macht eure Sache diesmal ordentlich!«
Missmutig warf Bashtiri dem Butler das Telefon zu, bevor er bei der laut stöhnenden Frau zum Endspurt ansetzte.
Menschen an Menschen drängten sich in der Metro. Mittlerweile hatte Leonid herausgefunden, dass sie zum Ochotny Rjad mussten |467| und dann über die Stationen Arbatskaja und Smolenskaja unter der Moskwa hindurch bis zur Kiewskaja.
Die Fahrgäste saßen in Längsreihen im Zug, junge und alte, ein buntes Völkergemisch, und auch die Gänge waren so voll, dass man sich kaum rühren konnte. Leonid hatte Jurij längst gesehen, bevor der massige Russe sie suchenden Auges entdeckte.
»Verfluchte Scheiße«, murmelte Leonid und drängte Viktoria an einer Frau mit einem Kinderwagen vorbei zum nächsten Ausgang hin.
»Was ist?«
»Du hättest nicht telefonieren dürfen.«
»Warum sagst du das?« Ihr Blick war ängstlich. Leonid stellte sich schützend vor sie.
Würden Bashtiris Männer es wagen zu schießen, obwohl die Metro voll besetzt war? Er wusste es nicht.
»Nächster Halt – Tschechovskaja«, tönte die blecherne Stimme aus dem Lautsprecher.
»Lass uns aussteigen«, murmelte Leonid.
»Aussteigen? Sind wir schon da?«
»Nein! Tu, was ich dir sage!« Mit Kraft schob Leonid sie durch die schimpfenden Menschen. Plötzlich sah sie, warum er es tat. Jurij hatte sie entdeckt und seine kalten Husky-Augen auf sie gerichtet. Am ganzen Leib zitternd trat sie vor den Zug und rannte mit Leonid und Ajaci über den Bahnsteig nach vorne zum Führerhaus. Mit einem hastigen Sprung zog er sie und den Hund durch die offene Waggontür und stieß einen erlösenden Seufzer aus, als die Tür sich hinter den beiden schloss. Auch hier war es jedoch nicht besser. Jurij blieb ihnen auf den Fersen, aber er war einen Waggon zu früh wieder zugestiegen.
Plötzlich
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