Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska
überrascht zu sein, dass Viktoria ihn |196| bei ihrer Exkursion dabei haben wollte. Wie selbstverständlich steckte er neben Hartkeksen und einer Wasserflasche ein Funkgerät in seinen Rucksack. Verstohlen tastete er nach der Pistole, die er stets heimlich bei sich trug.
Wenig später steuerte der Russe das Schlauchboot, das Viktoria mit der notwendigen Ausrüstung beladen hatte, in Richtung Kimchu. Das Wetter hatte wider Erwarten aufgeklart, und Viktoria schätzte sich glücklich, dass ihr statt der Krankenhausluft der vergangenen Tage nun die frische Seeluft um die Nase wehte. Kolja wusste, wo man ihren Taucheranzug gefunden hatte, und so fuhr er bis zu der Stelle hinauf, wo Viktoria aller Wahrscheinlichkeit nach von dem Unbekannten aus dem Wasser gezogen worden war.
Hohe Bäume, zwitschernde Vögel. Wildnis, so weit das Auge reichte. Vergeblich versuchte Viktoria sich zu erinnern, während sie am Ufer entlang marschierte. Wieder war es nur das verschwommene Gesicht ihres Retters, das vor ihrem geistigen Auge auftauchte.
»Du suchst nach Spuren. Deshalb willst du ausgerechnet hier Proben entnehmen?« Kolja schaute sie neugierig an.
Viktoria fühlte sich ertappt. »Reich mir mal den Magnetfeldmesser«, erwiderte sie, ohne auf Koljas Frage einzugehen. Fachmännisch legte sie das Messgerät und das dazugehörige Gestänge an, mit dem man den Untergrund systematisch nach auffälligen Bodenstrukturen absuchen konnte.
»Vielleicht finden wir ja Abweichungen im Eisenoxidgehalt des Erdbodens«, fügte sie hinzu und begann gleichzeitig entlang der Uferböschung zwischen jungen Lärchen und Birken umherzuwandern. Dabei ließ sie ihren Blick schweifen, ob sie irgendwelche Spuren ihrer Rettung ausmachen konnte. »Sieht nicht so aus, als würden wir hier etwas finden«, sagte sie mehr zu sich selbst. »Vielleicht nehmen wir nur ein paar Bodenproben.«
Kolja hockte in der Nähe des Schlauchbootes und drehte sich eine Zigarette. Er wirkte beinahe enttäuscht, als sie mit leeren Händen zu ihm zurückkehrte.
Doch dann gab der Magnetfeldmesser plötzlich einen bemerkenswerten Ausschlag. Viktoria folgte der Messung und kam, nachdem sie das untersuchte Feld mehrmals abgegangen war, zu dem Schluss, dass |197| sich unter der Erdoberfläche eine geregelte Struktur befand, die von keinem natürlichen Ursprung herrühren konnte. Es sah aus wie ein Schacht, umgeben von einer verschütteten Mauer.
»Gib mir bitte den Handbohrer für die Bodenproben«, bat Viktoria ihren Begleiter. Routiniert schnallte sie den Magnetfeldmesser ab und legte ihn beiseite.
Kolja übergab ihr mit hochgezogenen Brauen das Bohrgerät. »Irgendwas gefunden?«
Viktoria stemmte den Bohrstab mit beiden Händen in den weichen Waldboden. Nach gut einem halben Meter stieß der Bohrer überraschend auf Widerstand. Viktoria versuchte es an einer anderen Stelle und erhielt das gleiche Ergebnis.
Sie schaute überrascht auf. »Permafrost?«
Kolja schüttelte den Kopf. »Nicht zu dieser Jahreszeit. Da müsstest du noch gut eineinhalb Meter tiefer bohren. Vielleicht ist es ein Fels?«
»Das kann nicht sein. Das hier ist ein Sumpfgebiet. Da liegen Millionen Jahre von pflanzlichen Ablagerungen im Boden.«
Viktoria wischte sich den Schweiß von der Stirn und setzte sich auf einen umgekippten Baumstamm. Ihr war auf einmal schwindelig.
»Was ist?«, fragte Kolja. »Geht’s dir nicht gut?«
»Nein, nein, es geht schon«, erwiderte sie schwach. »Ich schlage vor, du fährst zurück ins Camp und holst Verstärkung. Sag unseren Kollegen, sie sollen Spaten mitbringen. Dann können wir feststellen, ob sich hinter dem Widerstand eine Struktur verbirgt, die für uns von Interesse sein könnte.«
»Willst du nicht lieber mitkommen?« Kolja war das Unbehagen anzusehen, sie hier alleine zurückzulassen.
»Nein, ich ruhe mich eine Weile aus. Es kann ja nicht lange dauern, bis du zurück bist.«
Kolja war kaum außer Sichtweite, als Viktoria sich erneut auf den Weg machte, um die Uferböschung zu untersuchen. Sie hatte die Hoffnung, Spuren ihres Retters zu finden, noch nicht aufgegeben. Vielleicht gab es Fußabdrücke, abgeknickte Äste oder vergessene Gegenstände. Schließlich musste sie von hier aus irgendwie zu seiner Hütte gelangt sein. Möglicherweise war es Einbildung, aber die ganze Zeit über hatte sie sich beobachtet gefühlt. Suchend schaute sie sich |198| um. Trotz eines mulmigen Gefühls im Bauch nutzte sie die Gelegenheit, allein in den Wald zu gehen.
Als sie
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