Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska
Hause. Deshalb konnte ich ihn nicht befragen. Ich habe ein seltsames Gefühl. Und du kennst meinen Instinkt. Er hat mich noch nie im Stich gelassen. Wir sollten an der Sache dran bleiben. Solange wir nicht wissen, |194| wer der unbekannte Samariter war, halte ich die Sache ohnehin nicht für erledigt.«
»Ja, ja …« Bashtiris Blick wirkte abwesend. »Ich verlasse mich auf dich.«
»Gibt es etwas Neues aus Irkutsk? Weiß man endlich, wem die Taschenuhr gehörte?« Lebenov versuchte sich an einem aufmunternden Grinsen, doch Bashtiri erwiderte es nicht. Er schenkte sich einen zweiten Whiskey ein und stieß einen Seufzer aus. »Das ist auch so eine merkwürdige Sache. Unser Anthropologe hat eine Untersuchung der Taschenuhr vornehmen lassen. Das eingestanzte Zeichen konnte bei einer chemischen Analyse rekonstruiert werden. Es steht für eine Studentenverbindung, die sich 1902 am Polytechnischen Institut von Sankt Petersburg gegründet hat. Die Initialen gehören zu einem Mann, den Polizisten der Dritten Abteilung des Zaren am Sankt Petersburger Blutsonntag aus seinem Elternhaus abgeholt haben. Alte Unterlagen besagen, dass er mit den Bolschewiki gemeinsame Sache gemacht hat. Angeblich ist er während seiner Inhaftierung in Moskau an der roten Ruhr verstorben.«
»Und wie kommt die Uhr dann nach Sibirien?«
»Keine Ahnung.« Bashtiri kippte den Whiskey in einem Schluck hinunter. »Vielleicht hat man ihm nach seinem Tod die Uhr geklaut. Aber damit ist immer noch nicht geklärt, wie sie an die Hand ihres neuen Besitzers in den See gelangt ist und warum sich seine Leiche so gut erhalten hat …«
Noch am selben Nachmittag kehrte Viktoria mit Kolja und Theisen ins Camp zurück.
»Wir haben uns große Sorgen gemacht.« Rodius erhob sich und umarmte sie herzlich. Gerührt nahm Viktoria die Erleichterung des Professors zur Kenntnis. Auch Professor Olguth und seinen Kollegen war anzumerken, dass sie froh über ihre Rückkehr waren. Zusammen mit Rodius und Theisen begleitete Olguth sie zu ihrer Unterkunft. Vor dem Eingang der Hütte blieb Viktoria stehen, während Theisen ihre Tasche in ihr Zimmer trug.
»Was ist mit Bashtiri und seinen Schergen?« Viktoria blickte zu Professor Rodius auf. Es war nicht zu verkennen, dass sich das Camp der |195| Wissenschaftler in ein Militärlager verwandelt hatte. Überall patrouillierten Bewaffnete, und von weitem vermittelte es den Eindruck, als ob die Kollegen der Universität Moskau sibirische Zwangsarbeiter seien, die man bei Aufräumarbeiten beaufsichtigte. Dabei hatten die russischen Kollegen offenbar ganze Arbeit geleistet. Nur ein paar feuchte Stellen hier und da zeugten noch von der Katastrophe.
»Psst …« Rodius legte den Zeigefinger auf die Lippen und sah seine Assistentin verschwörerisch an. »Seit Neustem haben die Wände Ohren«, bemerkte er leise. »Unser Gönner lässt sich nicht in die Karten schauen. Er hat uns strikt untersagt, im See zu forschen. GazCom hat die Untersuchungen an sich genommen. Der Sicherheitschef hat unsere gesamten Ergebnisse eingefordert, einschließlich unserer computergestützten 3D-Aufnahmen. Noch heute soll ein neuer Katamaran zu Wasser gelassen werden, der nach dem ominösen Aluminiumteil sucht, das Theisen angeblich gefunden hat. Uns ist es lediglich erlaubt, außerhalb des Gewässers Bodenproben zu nehmen.«
Viktoria überlegte einen Moment. »Wir sollten also keine Zeit verstreichen lassen. Ich möchte mich ohnehin noch ein wenig umschauen.«
Professor Rodius stieß einen Seufzer aus. »Also gut«, sagte er und sah ihr in die Augen. »Da ich dich offensichtlich nicht überzeugen konnte, nach Deutschland zurückzukehren, beauftrage ich dich offiziell, hinter dem Abfluss des Kimchu nach Eisenoxid zu suchen. Das ist es doch, was du möchtest, nicht wahr?«
Viktoria lächelte. Rodius kannte sie besser als irgendjemand sonst an der Universität. Sie waren sehr vertraut miteinander, und in gewisser Weise ersetzte er ihr manchmal den Vater. Daher war ihm nicht entgangen, dass es Viktoria auf eigene Ermittlungen drängte, was die Geschehnisse nach ihrem Verschwinden betraf.
»Nimm unseren russischen Touristenführer mit«, fügte der Professor hinzu, »dann kann ich Bashtiri sagen, dass du nicht allein unterwegs bist und es keiner begleitenden Soldaten bedarf.«
Theisen hatte sich bereits einer zweiten Gruppe angeschlossen, die verschiedene Baumgruppen auf Reste von Radioaktivität untersuchen sollte.
Kolja schien nicht sonderlich
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