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Schampanninger

Titel: Schampanninger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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erst wieder ab vierzehn Uhr, sagte sie, ohne von ihren Unterlagen aufzusehen.
    – Von drauß’ vom Walde komm ich her, orgelte ich mit tiefer Stimme.
    Adeodata fuhr hoch und strahlte.
    – Der Nikolaus! Das ist eine Überraschung.
    Sie musterte mich, fasste mich dann unter und zog mich hinter sich her in den Gang hinaus.
    – Darf ich Ihnen etwas anbieten? Es gäbe sogar noch etwas zu essen.
    Ich winkte ab.
    – Oder eine Tasse Kaffee?
    So landeten wir also im Tagescafé, das gut gefüllt war.
    – Stell dir vor, wer wieder da ist, sagte sie zu der Thekenhilfe, die Getränke und Gebäck ausgab. Unser Bischof!
    Respektvoll sahen mich die Umstehenden an, ich nickte ihnen zu. So einen Empfang bekam man nicht alle Tage. Wir setzten uns, tranken Kaffee, und ich erzählte Adeodata die Geschichte von der verlorenen Einladung.
    – Du meine Güte!
    Sie grübelte. Das sei eine schwierige Angelegenheit, weil ja der Herr Kardinal persönlich alle Einladungen unterschrieben hätte. Dann aber meinte sie, dass sie sich vielleicht an Monsignore Bachl vom Domkapitel wenden könne, der – sie hob den Finger wie der Lehrer Lämpel – da unter gewissen Umständen tätig werden könnte. Sie legte mir beide Hände auf den Unterarm.
    – Wissen Sie was, ich probiere es! Dann sind wir zwei schlauer.
    Zur Bekräftigung klopfte sie mir zweimal auf den Arm und stimmte ihr spröde gewordenes Lachen an.
    – So, und jetzt, sagte sie, zeige ich Ihnen noch etwas von unserem Stift.
    Wir standen auf. Mein Blick begegnete dem eines älteren Herrn am hinteren Tisch, und da durchfuhr es mich wie ein Blitz. Das war dieser Viktor de Kowa in Seemannsausführung, der am Nikolaustag in seinem Wagen an mir vorbeigeprescht war. Er musterte mich mit einem seltsam melancholischen Blick. Zwischen uns war eine Vertrautheit, ich meinte, die des Wiedererkennens. Dass mich der Alte aus seinem Auto heraus in meiner Verkleidung hätte identifizieren können, war sicher ausgeschlossen. Aber vielleicht hatte er in meiner Miene lesen können, was Sache war.
    Wieder zog mich Adeodata mit sich fort.
    – Der alte Herr da am hinteren Tisch, wer war das denn?
    – Der Herr Albert! Den sollten Sie mal kennenlernen! Solche gibt es nicht viele. Der ist gut gesäumt, ein solventer Mann.
    Sie rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. Dann flüsterte sie mir ins Ohr:
    – Was der schon in unseren Sozialfonds hier hineingegeben hat! Da machen Sie sich keine Vorstellung.
    – Spenden?
    Adeodata nickte.
    – Und zwar großherzige. Man muss schon auf ihn aufpassen. Das spricht sich herum, und wenn irgendetwas ist, ein Problem oder ein Notfall: Immer heißt es, bitte, Herr Albert, helfen Sie doch.
    Sie zog mich an sich heran.
    – Vor ein paar Tagen haben sie einen Krebs bei ihm festgestellt.
    Sie wiegte den Kopf. Eine große Chance räumte sie ihm nicht mehr ein.
    Wir standen vor der Hauskapelle. Adeodata zog die Flügeltür auf. Großer Stolz stand in ihr Gesicht geschrieben.
    – Eine Pracht, oder? Über zehn Jahre lang haben wir Schwestern für die Restaurierung gesammelt.
    Ich nickte und schwieg. Was hätte ich zu dieser tristen Bescherung schon Verständiges sagen sollen, außer dass die Kirchenmalerei der sechziger und siebziger Jahre sowieso nie an die besten Zeiten anknüpfen konnte. Die Figuren sahen auch nach zwanzig Jahren Wirtschaftswunder immer noch so kummervoll drein wie Kriegsheimkehrer im Nachthemd. Stakebeinige Jünger, flirrende arme Seelen, Stelzärmchen mitSpinnenfingern in weiten Kutten, die sich nach oben recken, noch einmal flirrende arme Seelen, Verdammte, die am Jüngsten Tag in ihren Erdlöchern bleiben müssen, und schon wieder flirrende arme Seelen. Kein Petrus mit Bart, kein Englein mit Speckröllchen, kein schrulliger Einsiedler in seiner Wüstenei, keine Versuchung des heiligen Antonius. Der Himmel, nach dem wir hierzulande streben, ist weißblau, und flirrende arme Seelen, die wie Geißeltierchen aussehen, kommen da sowieso nicht hinein. Man hätte weinen mögen, es sei denn, man verfügte über die robuste Psyche von Schwester Adeodata.
    Also wich ich in meinen Anmerkungen mehr auf das Technische wie Heizung und Lichtanlage aus.
    – Kennen Sie sich da aus, fragte Adeodata.
    Wie immer bewährte sich ihr praktischer Sinn.
    – Warum?
    – Das Leselämpchen im Beichtstuhl brennt nicht mehr. Ob Sie mal danach schauen könnten?
    – Aber sicher.
    Ich war froh, dass ich damit ein Betätigungsfeld hatte und mich nicht zu dieser scheußlichen Kapelle

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