Schampanninger
menschenleer war. Wo Bernis Büro war, wusste ich. Tatsächlich war es abgeschlossen. Es zu öffnen, war bei den alten, noch außen aufgesetzten Schlössern kein Problem. Ich setzte das Eisen einmal kurz an, ruckelte ein wenig hin und her, es knackte und schon stand ich in Bernis Allerheiligstem.
Ich zog die Vorhänge vor und knipste nur die kleineSchreibtischleuchte an, von der ich hoffen durfte, dass sie von außen her kaum bemerkt werden würde. Dann setzte ich mich an seinen Schreibtisch und begann, den Papierberg ruhig und systematisch abzusuchen. Da lag viel Hingekritzeltes herum, kulinarische Erleuchtungen von Berni auf Notizzetteln, Autogrammkarten, Prospekte und Zeitungsausrisse. In einer Schreibtischschublade stieß ich auf edel gedruckte Einladungen zu Seminaren, die offenbar regelmäßig abgehalten wurden. Die Karten mussten nur noch mit Namen, Datum und Bernis Unterschrift komplettiert werden. So sah das sehr persönlich aus. Geldanlage kulinarisch war das Motto dieser Veranstaltungen. Auch beim eigenen Portfolio seien die edlen Zutaten entscheidend. Emil Maillinger gebe eine Einführung in die Kunst der klugen Geldanlage, begleitet von fünf Gängen, die von Berghammer persönlich zubereitet würden. Die Soiree finde in einem legeren, privaten Rahmen statt. Ich steckte mir eine Karte in die Tasche. Bald danach fand ich etwas, das mich zunächst wenig interessierte, dem Resultat nach dann aber doch stutzig machte: eine Mappe, die als Jahresbericht etikettiert war. Hier waren Einnahmen, Ausgaben und Kontostand sauber aufgelistet und in dem ernüchternden Satz zusammengefasst, dass dem Vereinszweck gemäß alles ausgegeben sei.
Ich bin kein Bilanzprüfer, und die Korrektheit einer solchen Aufstellung blieb ein Buch mit sieben Siegeln für mich. Doch den Unterschied zwischen einem stattlichen Guthaben und nichts begreift auch ein Ungeübter wie ich. Daher durchfuhr es mich wie der Blitz, dass ich die handschriftliche Skizze einer solchen Aufstellung, jedoch komplett anders lautend, an jenem Nikolausabend in Händen gehalten hatte. Berni hatte sie mir mit den Unterlagen für meine Rede übergeben.Wahrscheinlich wusste er gar nicht, was sich in Maillingers vermeintlicher Nikolausvorlage sonst noch befand. Dieses Papier jedenfalls steckte in meinem goldenen Buch, das inzwischen spurlos verschwunden war.
Ich schreckte hoch. Der Lichtkegel einer Taschenlampe kroch außen an den Vorhängen entlang. Ich löschte die Schreibtischleuchte. Durch einen Vorhangspalt fiel das Licht auf den Schrank neben dem Schreibtisch. Jemand hatte begonnen, das Zimmer abzusuchen. Schnell sprang ich unter den Tisch. Von dort aus peilte ich die Lage. Die Vorhänge waren so weit zugezogen, dass die Tür in einem nicht einzusehenden Winkel lag. Kriechend arbeitete ich mich zum Ausgang vor und schlüpfte in den Gang hinaus. Draußen rumorte es. Ich lief in die Toilette zu dem Fenster, das ich für mich offen gelassen hatte. Als ich den Griff fasste, um es aufzuziehen, traf mich beinahe der Schlag: Das Fenster war verriegelt.
Hatte mich doch jemand beobachtet und dafür gesorgt, dass ich wie eine Maus in der Falle saß, um mich dann auffliegen zu lassen?
Egal, ich musste hier raus, aber schnell! Ich lief zum Büro zurück, holte das Stemmeisen und brach das Fenster auf. Dann rannte ich Richtung Nationaltheater los. Am Vordereingang musste sich Polizei aufgebaut haben, jedenfalls war an den Hauswänden von der Straße her der Widerschein des rotierenden Blaulichts zu erkennen.
20
Am anderen Morgen fuhr ich schon um sechs Uhr aus dem Bett hoch. Nachts hatte ich wild geträumt, das Adrenalin pulsierte. Dazu bescherte mir die Fülle der anstehenden Aufgaben schon beim Aufstehen eine hypernervöse Verfassung. Wenn man schon so früh so hochtourig mit gezogenem Choke unterwegs ist, sollte man sich grünen Tee bereiten. Ich hatte immer einen im Haus, er ist gesund, schmeckt aber wie Stroh. Entscheidungsfreudig wie ich war, goss ich ihn wieder weg und pfiff mir doch einen Espresso ein.
Die Pein musste ein Ende haben, das war klar. Also rief ich das Hausmeisterehepaar an und sagte, dass ich nun mit meinem Bus vorbeikäme, um die Kammer leer zu räumen. Um halb acht stand ich bei ihnen auf der Matte, eine Stunde später war alles in meinem Bus verstaut. Ich fuhr zunächst zum Wertstoffhof, entsorgte die überwiegend unbrauchbaren Möbelstücke und steuerte dann gleich Babsis Wohnung an. Ein längerer Aufenthalt kam definitiv nicht infrage,
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