Schampanninger
also parkte ich in zweiter Reihe und buckelte die Liege zu ihr in den zweiten Stock hoch.
Dort gab es kein großes Hallo, sondern eher verhaltene Skepsis, nachdem Mutter und Tochter das Stück begutachtet hatten. Was sollte man dazu schon sagen? Polsterung einwandfrei, aufklappbare Liegefläche mit Bettkasten darunter, Cordüberzug. Wenn Klein-Bine mal eine Große wäre, würde sie für ihren Liebhaber einen Anbau benötigen, aber bis dahin hatte ja vielleicht auch Babsi wieder einen Job. Konnte mir nun egal sein. Ich schleppte das Teil ins Kinderzimmer. DieKleine kam mit ihrer Puppe in der Hand, trat an die Liege und legte probehalber ihren Oberkörper darauf.
– Riecht aber komisch, sagte sie.
War aber nun alles nicht mehr mein Thema, und so verabschiedete ich mich. Unten machte ich drei Kreuzzeichen und schwor, mich nie wieder auf so eine verkorkste Schuldgefühlskiste einzulassen.
Zu meiner Ladenöffnungszeit um zehn kam ich noch halbwegs pünktlich. Ich hatte mir zwei leckere Hörnchen gekauft, einen zweiten Espresso durchzischen lassen und saß nun hinter meinem Ladentisch.
Kunden waren nicht in Sicht, und so hatte ich nach diesen hektischen Erledigungen Zeit genug, meine Geschichte von gestern Abend Revue passieren zu lassen. Klar, ich hatte wieder einmal mein Glück herausgefordert. Einfach Bernis Büro geknackt. Lärm hatte ich nicht gemacht und auch sonst keine Unvorsichtigkeit in dem leeren Lokal begangen. Dass trotzdem die Polizei vor der Tür stand, das konnte kein Zufall gewesen sein! Da hatte jemand versucht, mich zu tunken. Bis gerade eben hatte die Erleichterung überwogen, dass ich mich aus dieser gefährlichen Situation herausgewunden hatte. Nun glomm als Nachbrenner doch noch Wut auf. Ich dachte, es könne nichts schaden, wenn ich den Herren Berghammer und Maillinger da drüben ein wenig einheizen würde.
Ich griff zum Telefon. Dass der Weißbräu heute erst später öffnen würde, wusste ich. Tatsächlich war der erhoffte Anrufbeantworter eingeschaltet.
– Servus Berni, sagte ich, jemand sollte sich mal darum kümmern, wo das Spendengeld abgeblieben ist.
Erst mal war mir wohler. Später kam Zweifel auf. Der Gegenschlag würde nicht lange auf sich warten lassen undgenauso grob ausfallen. Welche Antwort erhielt man denn, wenn man auf Bayerisch anfragte: Magst eine Fotzen?
Und schon klingelte das Telefon. Ich zögerte und nahm lieber nicht ab.
War auch besser so, denn Babsi war am Apparat. Unerträglich gefühliger Wortdampf zischte aus meinem Anrufbeantworter. Als wäre eine Therapeutin am Apparat. Dabei blieben sie ja in der Sache stets eisenhart. Es tue ihr furchtbar leid, aber diese Liege sei für ihr Mädchen vollkommen ungeeignet, hart, hässlich, dazu rieche sie ziemlich muffig. Wann ich sie denn wieder abholen könne?
Hätte ich so gedurft, wie ich gewollt hätte, hätte ich in dieser tiefen Bedrängnis das Fenster geöffnet und ein wilder, weithin, womöglich bis über die Alpen hinaus hallender Schrei hätte sich meiner Männerbrust entrungen, der eine Horde ungebärdiger, haariger Kerle mit ebensolchen Schwänzen herbeigerufen hätte, um diese kapriziösen Mütter samt ihren Bälgern aus der Stadt zu fegen, die darauf bestanden, dass ihnen Tag und Nacht Puderzucker in ihren Königinnen- oder Prinzesschenarsch geblasen wurde.
– Ja bin ich denn hier der Depp?
Ich presste meine Wut in eine Stahlkammer, die ich in meinem Hirn für solche Notfälle eingerichtet habe. Dort war sie eine Weile zumindest sicher verwahrt. Dann wusch ich Geschirr ab, um mich zu beruhigen. Schließlich hörte ich draußen den ersten Kunden.
21
Mittags war es an der Zeit, das für mich zu tun, was ich mir schon vor einiger Zeit vorgenommen hatte. Ich wollte bei Schwester Adeodata ausloten, ob es für meine verlorene Einladung Ersatz gäbe. Persönliches Erscheinen war in diesem Fall sicher angemessen, und damit stellte sich das Problem, dass mein Trödlerzivil der Guten, die mich im Amtsornat kennengelernt hatte, vermutlich eine große Enttäuschung bereiten würde. Aber für solche Fälle hat man ja immer etwas von der Stange vorrätig. Ich entschied mich aus meinem Kostümfundus für einen schwarzen, eleganten Gehrock, der das Herz einer kirchlich gebundenen, alten Dame durchaus rühren konnte. So ausstaffiert, schloss ich meinen Laden ab und ging hinüber zum Altenstift.
Schwester Adeodata saß in ihrem Pucki-Büro an der Pforte. Ich klopfte an die offene Tür.
– Wir haben Mittag, Besuchszeit
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