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Schampanninger

Titel: Schampanninger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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äußern musste. Klappwerkzeug hatte ich, wie gewohnt, in der Tasche. Adeodata sagte, sie wolle dann gleich mal Monsignore Bachl anrufen, wenn ich mich hier schon nützlich machte.
    Das Lämpchen hatte einen Wackelkontakt, den Draht wieder zu befestigen war eine Kleinigkeit.
    – Gelobt sei Jesus Christus, sagte eine männliche Stimme zu mir.
    – In Ewigkeit. Amen.
    Das war ein Reflex, so wie bitte auf danke folgt. Eine gut katholische Erziehung kriegt man nie aus den Knochen.
    – Herr Bischof, ich habe schwer gesündigt.
    Durch das Gitter hindurch erkannte ich Herrn Albert. Ich fuhr hoch und wollte gehen.
    – Bitte bleiben Sie, hören Sie mir zu.
    Ich setzte mich wieder.
    – Sie wissen es doch ohnehin, wahrscheinlich seit dem Nikolausabend. Ich bin ein Dieb. Viermal habe ich aus der Bankfiliale Harlaching Geld geraubt. Das waren sicher so um die Hunderttausend. Ich gebe zu, dass ich etwas davon für mich verwendet habe, für eine Reise und sonst ein wenig mehr Luxus. Aber Sie sollten auch wissen, dass ich den größten Teil hier in den Ausbau der Sozialstation gesteckt habe. Oder in die medizinische Versorgung von Leuten, die das Geld nicht hatten. Bevor Sie mich verurteilen, sollten Sie das bedenken.
    Ich war vollkommen verblüfft und brachte kein Wort heraus. Verwechselte der mich wirklich mit einem Priester oder versuchte er einfach, mir zuvorzukommen, um sein Schicksal noch zum Bestmöglichen zu wenden?
    – Aber wie soll das denn weitergehen, fragte ich. Wie stellen Sie sich das vor?
    Er gab keine Antwort. Ich kniff die Augen zusammen, um ihn besser fixieren zu können, aber da war niemand mehr.

22
    Schwester Adeodata war untröstlich. Sie hatte Monsignore Bachl nicht erreicht, und nun glaubte sie, dass diese Nachricht mich so niedergeschlagen machte. Ich versuchte ihr dasauszureden und sie meinerseits aufzumuntern. Aber wenn zwei aus völlig unterschiedlichen Motiven sich aufzuhelfen versuchen, dann ist man in einen aussichtslosen Kreisverkehr geraten, wo jeder glaubt, dem anderen hinterherfahren zu müssen.
    – Wird schon wieder, sagte ich.
    Dann verabschiedete ich mich und ging.
    Was sollte ich nun mit diesem Herrn Albert anstellen? So senil oder dämlich, mich mit einem Bischof zu verwechseln, war kein Mensch. Mit meinen Haaren und Koteletten ging ich noch nicht mal als Gefängnispfarrer durch. Aber mit dieser vielleicht verzweifelten Aktion hatte er versucht, das Beichtgeheimnis für sich in Anspruch zu nehmen und mich damit in eine moralische Bredouille zu bringen. Wer den Nikolaus spielte, sollte dafür anfällig sein, so dachte er wohl. Und wer wie ich in jungen Jahren als Ministrant mit dem Frauenbund bei der alljährlichen Wallfahrt das Diözesanmuseum besuchte, wo unter einer silber- und brokatverzierten Glasglocke die abgeschnittene Zunge des heiligen Nepomuk ausgestellt war, die er dem Beichtgeheimnis geopfert hatte und die auf unergründlichen, nur Gott bekannten Wegen als Premiumreliquie von Prag in den süddeutschen Raum gelangt war, wer das erlebt hat, wusste doch, dass es sich bei dem Schweigegelübde um ein hochkarätiges Gut der heiligen katholischen Kirche handelte. Und vor dieser Vitrine konnte schon der alte Stadtpfarrer Seppenhofer dem Frauenbund deutlich machen, wo die messerscharfe Trennungslinie zum Protestanten verlief. Denn der protestantische Pastor nehme schon mal keine Beichte ab, geschweige denn, dass er dem Bußfertigen Verzeihung gewähre, und selbst wenn ein solcher Pastor Geständnisse entgegennehme, könne man nicht wissen, ob er stantepede aufstehe und im nächsten Revier Anzeige erstatte. Am liebsten hätten die Frauenbündlerinnen über so viel Ruchlosigkeit mit den Zähnen geknirscht, und man brauchte keine große Fantasie, um sich vorzustellen, wie sie zu einer Denunziation von Herrn Albert gestanden wären.
    Natürlich war ja unsereiner kein Theologe, und man hätte darüber streiten können, ob das, was einer im Beichtstuhl einem Nicht-Kleriker gestanden hatte, überhaupt unter die Kategorie des zu schützenden Geheimnisses fiel, das meinen Mund für immer versiegelte. Um das sauber klären zu können, hätte ich vermutlich beim Papst in Rom persönlich durchrufen müssen, hier war mir mit einem Wald- und Wiesen-Theologen nicht geholfen, das musste eigentlich ex cathedra entschieden werden.
    Von der anderen Seite her konnte man den Fall unkomplizierter durchdenken: Der Münchner Bank war ich nichts schuldig, dass ich mich zu deren Büttel hätte machen müssen.

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