Schandtat
anderen Schülern tatsächlich so ergangen ist. Und du erzählst mir, sie hätte das Richtige getan?«
Ich genoss die Diskussion in vollen Zügen, und er war so ruhig wie stilles Wasser. Er fuhr fort. »Ich kann dein Argument zwar verstehen, aber in der Arbeitswelt sieht es auch nicht anders aus. Ein Arbeitgeber wird dich nach seinem ersten Eindruck beurteilen, und wenn du dich nicht innerhalb der Grenzen dessen befindest, was ihm akzeptabel erscheint, hast du verloren. Aus diesem Grund haben wir gewisse Normen und Maßstäbe. Einige gute und einige schlechte.«
Ich lachte. Jahrelang hatte ich das Argument, die Schule ist genau wie ein Job, von meiner Mom gehört. »Nach meinen letzten Informationen ist es sogar die Aufgabe eines Arbeitgebers, zu beurteilen, wer sich am besten für sein Geschäft eignet, weil es schließlich sein Geschäft ist. Willst du etwa behaupten, es sei die Aufgabe eines Lehrers, zu beurteilen, wer der Beste für seine Schule ist?«
Er hielt inne, dachte nach und seufzte dann. »In diesem Punkt hast du mich erwischt, aber nicht alle Lehrer beurteilen ihre Schüler auf diese Weise. Hattest du denn noch nie einen guten Lehrer?«
Ich grunzte. »Natürlich hatte ich gute Lehrer. Und ich behaupte ja auch nicht, dass jemand nur ein guter Lehrer sein kann, wenn er mich mag. Er soll meinen Kopf nur nicht in einen Schraubstock stecken und nach einem Vorschlaghammer greifen.«
Endlich blitzte ein kleiner Funke in seinen Augen auf.
»Gut. Ich hatte schon befürchtet, dass du alle über einen Kamm scherst.«
Ich lachte. »Mr Trillmane, siebte Klasse Englisch. Er hat sich total dafür eingesetzt, dass keine bescheuerten Bücher auf der Leseliste unserer Schule standen. Total cool. Er hat mich drei Hausaufgaben in Gedichtform schreiben lassen, weil er wusste, wie gern ich Songs schreibe.« Bei der Erinnerung an diesen Mann musste ich schmunzeln. »Er meinte immer, der einzige Sinn der englischen Sprache liege darin, miteinander zu kommunizieren.«
Dad nickte lächelnd. »Magst du nicht noch mal darüber nachdenken, Mrs Baird eine zweite Chance zu geben? Immerhin ist sie letzten Endes doch noch aus sich herausgegangen, und sie ist eine fantastische Lehrerin.« Er blinzelte. »Das heißt, meiner Meinung nach.«
»Warum sollte ich?«
Er lächelte abermals. »Weil es sich erstens vermutlich nicht lohnt, ihr eins auswischen zu wollen, wenn du dir damit nur selbst wehtust, und zweitens möchte ich gern im Publikum sitzen und sagen: ›Das da oben ist meine Tochter.‹ Dann würde ich aufstehen und mich wild klatschend zum Narren machen. Genau wie im Film.«
Mir stockte der Atem, und als ich ausatmete, war das Feuer unserer Diskussion vollkommen erloschen. »Wie machst du das?«
»Wie mache ich was?«
»Gerade war ich noch total sauer und hab unsere Auseinandersetzung genossen, und jetzt ist alles futsch. Das ist nicht fair. Eigentlich sollten wir jetzt drei Tage lang nicht mehr miteinander reden.«
Er zuckte die Achseln. »Tut mir leid.«
Ich stand für einen Moment nur da, meinen Teller in Händen, und er wandte voller Unbehagen den Blick ab. »Ich werd darüber nachdenken«, sagte ich.
Er rutschte auf seinem Stuhl herum und starrte auf den Fernseher. »Nacht!«
ACHT
Zwei Tage später erfuhr ich die Namen der Typen, die Velveeta den Zettel in den Mund gestopft hatten. Ron Jameson und Colby Morris. Colby Morris war derjenige, den Velveeta am ersten Tag zu Beginn der dritten Stunde »Aktuelles Zeitgeschehen« so offensichtlich gemieden hatte. Colby Morris, Arschloch des Jahres. Als ich ins Klassenzimmer kam, starrte er mich finster an, nachdem er schließlich kapiert hatte, dass ich das Mädchen von dem Baugelände war. Ich zeigte ihm nur den Stinkefinger.
Nach der Stunde gingen Theo und ich gemeinsam aus der Klasse, und ich fragte ihn nach Colby. Er lächelte. »Unsere lokale Gottheit. Möglicherweise wirst du in seiner Nähe eine Sonnenbrille tragen müssen. Der Heiligenschein strahlt mitunter ziemlich grell. Ganz besonders nach einem Sieg.«
»Einem Sieg?«
»Football, mein kleines Unschuldslamm. Er ist der beste Fänger des Teams. Letztes Jahr erzielte er fünf Milliarden Yards und bekam dafür den Preis für die ›größte Wahrscheinlichkeit, mit dreißig nur noch in der Vergangenheit zu leben‹. Du weißt schon, einer von diesen Typen, die auf einem Barhocker sitzen und nur noch über ihre ruhmreichen Tage damals in der Highschool reden.«
»Oh.« Ich hatte nicht die Absicht zu
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