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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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Wrangel erkannte drei Röper des Brookvogtes, die versuchten, die Menschen zu einer Kette zu formieren, um die mit Wasser gefüllten Eimer schneller durchreichen zu können.
    Plötzlich fiel sein Blick auf zwei junge Männer in weinroten Samtjacken und hellen Kniebundhosen, die in einem Gemüsegarten emsig einen Holzverschlag mit Wasser begossen, wohl um das Holz so zu durchfeuchten, dass es nicht vom Funkenflug Feuer fangen konnte. In ihrem eitel herausgeputzten Aufzug wirkten sie in den vereisten Rabatten äußerst fehl am Platze. Dabei mühten sie sich ab, als ginge es darum, einen Palast zu schützen und nicht einen Holzverschlag. So boten sie ein merkwürdiges Schauspiel, dem es nicht an Komik gefehlt hätte, wäre die gesamte Situation nicht ungemein bedrohlich gewesen. Aber warum ließen die beiden Gecken die Reetdachkate, die ebenfalls auf der kleinen Parzelle stand, völlig außer Acht? Was mochte in dem Holzverschlag sein, dass er so viel Vorsorge verdiente? Wie Bauern sahen die beiden nicht aus, der Kleidung nach schienen sie eher Kaufmannsgehilfen zu sein.
    Wrangel wollte sich gerade zu den jungen Männern durchschlagen, als die Vincent-Bastion von einer gewaltigen Explosion erschüttert wurde. Das Feuer musste die Munitionskammer im Inneren des Bollwerks erreicht haben. Zerborstene Balken flogen durch die Luft, Steine und Splitter sausten auf die Menschen nieder. Eine Frau rannte mit lodernd brennenden Kleidern und Haaren schreiend durch die Menge. Die Menschen starrten sie entsetzt an, und es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis zwei Männer sie beherzt packten und ihr einen Eimer Wasser über den Kopf gossen. Kinder riefen weinend nach ihren Eltern, und die Menschen verkeilten sich ineinander, da die vorderen Reihen nach dem Knall zurückdrängten, die hinteren aber weiter nach vorn zur brennenden Bastion strebten.
    Wrangel hatte genug gesehen und konnte hier nicht helfen. Er wandte sich entsetzt ab und drängte sich über den Schweinemarkt zurück zur Steinstraße in Richtung Berg.
26
    D ie dröhnenden Kirchenglocken und die aufgeregten Schreie von draußen füllten auch die Herrenstube der Frohnerei, als Wrangel in Begleitung Asthusens die Tür aufstieß und auf Bunk zuging.
    »Prokurator Wrangel möchte mit dir reden, Weib.« Asthusen rückte Wrangel einen Stuhl zurecht und nickte ihm mit ernstem Gesicht zu. Dann prüfte er mit fachmännischem Blick, ob alles in der Herrenstube seine Ordnung hatte, und ließ schließlich Bunk und Wrangel allein.
    »Wie konntest du das machen, Weib?«, fuhr er, kaum dass Asthusen die Tür hinter sich geschlossen hatte, Bunk an. »Du hast dich um Kopf und Kragen geredet! Du hast dich dem Henker auf dem Servierteller dargeboten! Was sind das für irre Geschichten, Frau? Die Jähner hat doch bestätigt, dass die Rieken bei ihr war, und der Physikus hat bestätigt, dass die Tote nichtaussah wie die Rieken. Was sollen also diese Bezichtigungen? Du warst schon mit einem Fuß hier heraus, doch jetzt steckst du bis zum Hals im Dreck!«
    »Was wisst Ihr schon vom Dreck, hochehrwürdiger Prokurator?«, spöttelte Bunk verächtlich. »Gelehrte Bücher mögt Ihr gelesen haben und schlaue Schriften verfasst. Doch was wisst Ihr von des Lebens Dreck? Ich zumindest weiß, wovon ich meine Seele befreien muss.«
    »Aber was sind das für Geschichten, die du da erzählt hast? Wer ist diese Jürgens? Wenn du mir nichts sagst, dann kann ich dir nicht helfen!«
    »Ihr könnt mir sowieso nicht helfen. Zwar könnt Ihr meines Leibes Hunger stillen, doch den Hunger meiner Seele könnt Ihr nicht lindern.«
    »Ich bin auch kein Pfaffe, ich bin Advocatus. Ich will dir helfen, dass du nicht zu Unrecht bestraft wirst, nur weil die Leute vor Menschen wie dir Angst haben. Aber du? Du quatschst von Diebsdaumen und abgeschnittenen Köpfen! Jetzt lassen sie dich nicht mehr in Ruhe.«
    »Die lassen mich nie in Ruhe, Herr Advocatus. Und Ihr auch nicht, wie ich sehe.«
    In Wrangel kochte die Wut immer höher. Was bemühte er sich überhaupt um sie? Sollte sie doch auf dem Richtplatz krepieren! Den Henker würde es freuen, und das sensationslüsterne Volk hätte ein grausiges Vergnügen. Doch er, Hinrich Wrangel, er wäre dann gescheitert. Und mit ihm all die Bemühungen von Thomasius und die Hoffnungen auf eine aufgeklärte Welt.
    Er atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. »Erzähl mir von der Jürgens. Zusammengelebt hast du mit ihr?«
    Bunk schaute ihn misstrauisch an. »Wozu soll ich das

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