Schandweib
in der Tür öffnete und eine ältliche Frau sich nach seinem Begehren erkundigte. Wrangel trug kurz und knapp sein Anliegen vor, Pastor Bredefeld persönlich sprechen zu wollen, und schob das Empfehlungsschreiben von Pastor Krüger von St. Katharinen durch die Luke. Erneut verging eine kleine Ewigkeit, bis sich endlich die Tür öffnete und Pastor Bredefeld persönlich ihn hereinbat.
»Ihr müsst meine Vorsicht entschuldigen, verehrter Prokurator. Aber heutzutage kann man nicht vorsichtig genug sein. Selbst vor Pastoren machen manche Strolche keinen Halt. Vor drei Wochen erst wurde unser Küster, ein gottesfürchtiger alter Mann, am helllichten Tage auf offener Straße überfallen undausgeplündert. Dabei ist der gute Mann noch ärmer als die Mäuse, die sich in meiner Speisekammer tummeln. Aber kommt herein und lasst uns von erfreulicheren Dingen sprechen. Wie ich las, seid Ihr ein Freund von Pastor Krügers tüchtigem Vikar Matthias Claussen.«
Damit schob Bredefeld, ein Mann Ende fünfzig mit rundem Bauch und einem ebenso runden dünnen Haarkranz um den glänzenden Schädel, Wrangel hinein in die Stube. Seine kleinen grauen Augen blitzten wachsam, während er mit für seine Leibesfülle erstaunlich flinken Schritten einen schweren Stuhl für seinen Gast zurechtrückte. Kaum hatten die beiden Männer Platz genommen, als sich die Tür öffnete und die Haushälterin, jene Alte, welche Wrangel zuerst an der Tür gesehen hatte, ein Tablett mit einer Kanne heißem Tee hereinbrachte.
»Erzählt, Prokurator, was Euch an diesem finsteren Herbstabend von Hamburg zu mir nach Wandsbek führt und womit ich Euch dienen kann.«
Wrangel zögerte nicht lange, sondern berichtete Bredefeld so knapp wie möglich und zugleich ausführlich wie nötig von dem Fall Bunk und der Beziehung der Gefangenen zu Cäcilie Jürgens.
»Hab ich Euch recht verstanden, dass Ihr nun von mir wissen wollt, ob ich wissentlich zwei Frauen vor Gottes Angesicht getraut hätte?«, fragte Bredefeld nach einer kurzen Pause.
»Nein, Pastor Bredefeld, versteht mich bitte nicht falsch. Nicht einen Augenblick hege ich Zweifel an Euer Rechtschaffenheit und Eurem gesunden Augenmaß. Und selbst wenn Ihr Euch hättet täuschen lassen von dem Pärchen, so wäre es Euch einfach nur genauso ergangen wie schon so manchem vor Euch. Es war für Außenstehende nicht zu ahnen, dass die Bunk kein Mann, sondern ein Weib ist. Ich selbst traute meinen Augen kaum, alsich sie das erste Mal zu Gesicht bekam. Nicht nur ihre Kleidung ließ sie als Mann erscheinen, jede Bewegung, jede Geste ihres Körpers schien männlich. Tatsächlich fielen selbst meine letzten Zweifel erst, als der Henker sie entblößte.«
Erleichterung breitete sich in Bredefelds Gesicht nach diesen Worten aus, und er ergriff mit betont nachdenklicher Miene das Wort. »Nun, an ihn, also dieses angebliche Mannweib, kann ich mich tatsächlich kaum erinnern. Zu durchschnittlich war wohl seine Erscheinung. Aber die junge Frau ist mir im Gedächtnis geblieben. Sie war ein auffallend hübsches Ding, und ihre Sorge, in Sünde leben zu müssen, quälte sie augenscheinlich sehr.«
Wrangel nickte aufmunternd.
»Sie kam vor zwei Jahren an einem warmen Sommerabend zu mir und bat mich um Hilfe. Unter Tränen gestand sie mir ihr Leid. Ein Kerl habe sich über sie hergemacht und sie habe nichts tun können als nachzugeben, um ihre eigenen Haut vor Schlimmerem zu bewahren.« Bredefeld räusperte sich und nahm einen Schluck Tee. »Ein so hübsches Kind. Nun sei sie durch diesen Kerl, der sich an ihr vergangen und ihr die Unschuld geraubt habe, in andere Umstände gekommen. Sie bat mich flehentlich darum, ihr zu helfen. Sie habe einen jungen Mann gefunden, einen ordentlichen Kräuterhöker, der sie ehelichen wolle. Doch sowohl er als auch sie kämen nicht von hier, und so sei es nicht möglich, die Erlaubnis der Eltern einzuholen, wie es sich ja eigentlich schicke. Sie schluchzte, dass bis dahin sicher alle Welt ihren Bauch sähe und ihr der junge Mann davonliefe. Dann müsse sie in Schande und Elend leben wegen eines Verbrechens, das ein anderer an ihr begangen habe. Könnte sie aber sogleich die Ehe eingehen, so käme das arme Kind in ehelicher Ordnung zur Welt und hätte auch einen anständigen Vater, der, so jung, wie er sei, jetzt noch kaum bemerken werde, dass es vielleichtnicht sein eigenes Kind sei.« Wieder nahm Bredefeld einen Schluck Tee und schaute Wrangel prüfend an.
Dieser nickte erneut und trank
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