Scharade der Liebe
vor mich hin und kickte Kieselsteine, als ich eine Frau schreien hörte.
Durch halb offene Vorhänge sah ich eine Frau in einem Salon. Ein Mann schlug sie. Ich überlegte nicht lange, sondern rannte zur Haustür und versuchte hineinzukommen. Die Haustür war jedoch verschlossen. Da rannte ich wieder zu dem Fenster, und es gelang mir, es so weit hochzuschieben, dass ich hineinklettern konnte.
Ich weiß noch, dass der Mann mich völlig verblüfft ansah, als ich auf einmal in seinem Salon stand. Er sah mich an, sah die Frau an, und schlug sie wieder, genau in die Rippen, und da wusste ich, dass er zu der Sorte von Männern gehörte, die ihre Frauen aus Gewohnheit schlagen.
Ich habe dir erzählt, dass mein Vater meiner Mutter nie ins Gesicht geschlagen hat. Das tat dieser Mann auch nicht. Sein Ziel waren ihre Rippen und ihr Bauch. Er war genauso wie mein Vater.
Er schrie mich an, was ich denn überhaupt wollte, aber ich rannte einfach auf ihn zu, entriss ihm die Frau und schlug ihn nieder.
Es war die Frau, die mich zurückhielt. Sie zerrte an meinen Händen und sagte immer wieder: >Nein, er ist es nicht wert, bitte, bringt ihn nicht um. Er ist es nicht wert.< Also hörte ich auf, ihn zu verprügeln. Er war bewusstlos, nicht tot. Und leider starb er auch nicht.
Seine Ehefrau hatte ihn erzürnt, weil sie ohne seine Erlaubnis ihre Schwester besucht hatte. Es dauerte eine Weile, bis sie mir vertraute, denn schließlich war ich ein junger Mann, und sie war eine verheiratete Frau von mindestens dreißig Jahren. Aber als sie mir schließlich die ganze Wahrheit erzählte, wurde mir klar, dass es einfach immer so weitergehen würde, wenn ich nicht eingriff. Sie war in genau der gleichen Lage, wie meine Mutter es gewesen war.
Der einzige Unterschied war, dass diese Frau ihren Mann hasste. Sie wollte ihn unbedingt verlassen, und der Skandal, den das heraufbeschwören würde, war ihr gleichgültig. Aber sie konnte ihn nicht verlassen, weil sie Angst vor ihm hatte. Er hatte ihr gesagt, er würde sie umbringen, wenn sie es täte. Sie hatten ein kleines Mädchen, Joan, und einen kleinen Jungen, William.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte, aber ich wusste genau, dass ich dies nicht weiter zulassen würde. Ich konnte sie ihrem Schicksal nicht überlassen. Ich fesselte und knebelte ihn und zog ihn hinter eine Sitzgruppe.
Dann wartete ich, bis sie gepackt hatte und mit ihren Kindern zum Gehen bereit war. Ich nahm sie alle mit zu mir nach Hause.
Sie blieben drei Tage hier. Am dritten Tag lernte ich Ryder Sherbrooke kennen. Er stritt sich bei Whites mit einem älteren Mann. Der Alte sagte, das ganze Ungeziefer auf den Straßen sollte ein für allemal ausgelöscht werden, und man sollte sie ohne Ausnahme in die Kolonien oder nach
Botany Bay schicken. Er meinte damit die Kinder, die betteln oder stehlen müssen, damit sie nicht verhungern. Ryder erhob nie die Stimme, sondern sagte nur, es seien die Erwachsenen gewesen, die diese armen Kinder zur Welt gebracht und dann allein gelassen hätten. Was sollten die Kinder denn machen? Die guten Leute in Ruhe lassen, sagte der Alte immer wieder. Es gelang mir, mich Ryder vorzustellen, als er den alten Mann schließlich sich selbst überließ. Und kaum zehn Minuten nachdem wir uns kennen gelernt hatten, erzählte ich ihm schon von der Lady in meinem Haus und was ihr geschehen war.
Nach zwei Tagen wusste er alles über meine Vergangenheit. Und Ryder dachte sich aus, wie ich sie beschützen konnte ...«
»Wer war sie, Gray?«
»Lady Cecily Granthsom.«
Jack schüttelte den Kopf.
Er sagte nur: »Du wirst sie sicher bald kennen lernen, Jack. Ich glaube, sie ist zur Zeit mit ihren Kindern in Schottland und besucht die Familie ihres Mannes. Sie wird von dir bezaubert sein.«
»Was hast du mit ihrem Ehemann gemacht?«
»Ryder und ich sind zu ihm gegangen. Er war außer sich vor Wut, weil er meinte, seine Frau sei mit ihrem Liebhaber davongelaufen. Er würde das Luder umbringen, schrie er, und ihren verdammten Liebhaber auch. Er erkannte mich nicht als den jungen Mann wieder, der ihn zusammengeschlagen hatte.
Dann erklärten Ryder und ich ihm die Lage.« Gray lächelte in der Erinnerung.
»Lord Granthsom tobte, als ich ihm sagte, dass ich ihn niedergeschlagen hätte und dass ich seine Frau und seine Kinder versteckte, bis er mir glaubhaft versichern könne, dass er sie oder die Kinder nie wieder schlagen würde. Er schrie weiter, das ginge mich nichts an, sie sei eine Schlampe und
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