Scharade der Liebe
gut«, erwiderte er mit einer Stimme, die so kalt war wie der Februar im letzten Winter. »Wenn deine Kleider trocken sind, bringe ich dich nach London zurück und übergebe dich den Tanten. Sie werden mir sicher alles sagen, was ich wissen will. Sie sind zwar schon vorher nicht besonders gut mit dir fertig geworden, aber was bleibt mir schon anderes übrig? Arme alte Vögelchen. Sie sind wirklich geschlagen mit dir. Ich habe großes Mitleid mit ihnen.«
»Sie sind ausgezeichnet mit mir fertig geworden. Aber ich hatte einfach keine andere Wahl. Ich musste zurück nach Folkstone. Die Tanten sind wundervoll. Sie versuchen, mich zu schützen. Sie werden Euch gar nichts erzählen.«
»Mir ist auch kalt«, sagte er und legte sich neben sie unter das Stroh. »Als ich gestern Abend nach Hause kam, wollte ich mir einen guten Brandy einschenken und mich dann ins Bett legen, um angenehme Träume zu träumen, vielleicht von meiner Geliebten, die im Übrigen keinen anderen Beschützer möchte. Aber nein, es durfte nicht sein.« Er blickte sie vorwurfsvoll an. Dann blinzelte er. »Verdammt, ich habe gedacht, ich hätte dein Hemd richtig zugemacht. Das Stroh auf deiner Haut wird dich pieksen.«
Er beugte sich über sie, schob das Stroh beiseite und zog ihr Hemd vollständig zusammen. Als er die kleinen Knöpfe schloss, streifte seine Hand leicht ihre linke Brust. Sie verging fast vor Angst. »Um Himmels willen, halt doch still. Ich vergewaltige dich schon nicht!«
»Hört auf zu fluchen.«
»Du würdest auch fluchen, wenn du mit einem halb nackten Mädchen, dessen Name Winifrede Levering ist, allein in einem verfallenen Schuppen wärst und dir die Seele aus dem Leib frieren würdest. Halt einfach still. So, jetzt bist du ordentlich zugedeckt. O ja, du siehst so aus, als habe dir einer ins Gesicht getreten.«
»Genau. Ihr wart das. Ich wollte ja weglaufen, aber Ihr habt mich trotzdem gekriegt.«
Er fuhr mit seinen Fingerspitzen leicht über ihre Schläfe, dann runzelte er die Stirn. »Ich sehe nicht gern blaue Flecken bei einer Frau. Eigentlich habe ich das immer gehasst. Und vor allem war ich nie derjenige, der sie verursacht hat.« Er warf noch ein wenig Stroh über sie, dann legte er sich wieder hin.
»Wie viele Geliebte habt Ihr gehabt?«
Er riss die Augen auf. »Warum? Willst du die Stelle?«
»Nein. Ich möchte Euch nicht einmal in meiner Nähe wissen, aber Ihr habt mein Hemd so geschickt zugemacht, als hättet Ihr das schon sehr oft getan. Ihr hattet ja dabei sogar die Augen geschlossen.«
»Ich habe den Frauen viele kleine Dienste erwiesen. Ich erinnere mich noch an das erste Hemd, das ich zugeknöpft habe. Es war dünn und sehr elegant. Ich bin kein Tölpel. Das war ich nie. Ich habe meine Augen geschlossen, weil ich es nicht richtig fand, auf deine Brüste zu schauen. Eigentlich habe ich sie schon genug betrachtet. Also war es nicht schwer, dieses Mal das Richtige zu tun. Was soll ich jetzt mit dir machen?«
Er klang wie ein vernünftiger Mann, aber ganz sicher konnte sie nicht sein. Sie hatte noch nicht viele Männer in ihrem Leben kennen gelernt, und ihr Vater und die beiden Männer, die sie näher kennen gelernt hatte, waren nicht vernünftig gewesen. »Vielleicht«, sagte sie vorsichtig, »könntet Ihr mir einfach helfen, nach London zurückzukehren. Ich möchte nur ein wenig liegen bleiben, bis es mir wieder besser geht. Ich werde die Tanten schon davon überzeugen, dass alles in Ordnung ist. Vielleicht könntet Ihr das alles hier einfach vergessen?«
»Und du würdest mir wieder eins meiner Pferde stehlen, wenn du könntest?«
Da hatte er nicht ganz Unrecht.
»Nein, versuch nicht zu lügen. Das kannst du nicht gut. Nun, ich denke, es ist in deinem Interesse, wenn du mir einfach die Wahrheit sagst, damit ich entscheide, was getan werden muss.«
Sie schwieg.
»Nun gut. Erzähl mir von Sir Henry Wallace-Stanford.«
Er dachte, sie sei in Ohnmacht gefallen, aber als er sich auf seinen Ellbogen stützte, um sie anzusehen, bemerkte er, dass sie nur die Augen fest geschlossen hielt.
»Wer ist er?«
»Kein guter Mann.«
»Das weiß ich. Selbst Quincy hat das gleich gesehen. Quincy hat bei anderen Menschen so etwas wie das zweite Gesicht. Er hat das von irgendeiner Ururgroßmutter geerbt. Ja. Sir Henry hat nach dir gesucht.«
»O Gott. Was habt Ihr gesagt?«
»Er sagte mir, er sei geschäftlich in London und wolle sich nur erkundigen, ob es den Tanten gut gehe. Dann fragte er, ob die Tanten einen Gast
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