Scharade der Liebe
Er rollte sich über sie. »Und jetzt will ich dir zeigen, was an der Liebe so schön ist.«
Mrs. Hardley lächelte nur, als sie am Lieblingsschlafzimmer des Earls von Northcliffe vorbeikam und leises, erregtes Frauenlachen hörte. Und eine tiefe, drängende Männerstimme. Das Bett besitze reine Magie, hatte ihre Großmutter vor dreißig Jahren zu ihr gesagt. »Es kann zaubern«, hatte sie gemeint. Es entstanden mehr Kinder darin als in ganz Sudburn.
Sie lächelte immer noch, als ihr Sohn aufgeregt auf sie zugerannt kam und rief: »Ma, ein Bote hat das für Lord Cliffe gebracht. Er hat gesagt, es sei äußerst wichtig.«
Jack küsste ihn gerade auf den Nacken, als ein lautes Klopfen an der Tür ertönte. Mrs. Hardley rief: »Verzeiht mir, Mylord, aber soeben ist eine wichtige Nachricht für Euch eingetroffen.«
Gray stützte sich auf die Ellbogen. Er war kurz davor gewesen, ihre Brüste zu küssen. Er schüttelte den Kopf, um wieder klar zu werden. Er hätte gleich auch noch andere Dinge tun können. Erschauernd drückte er sich an sie. Er hätte am liebsten geweint, als Mrs. Hardley wieder rief: »Mylord, bitte, die Nachricht.«
»Tut mir Leid, Jack«, sagte er und stand auf. »Glaub mir, es tut mir wirklich Leid.«
»O Gott, was denn für eine Nachricht? Ob etwas geschehen ist?«
»Sie könnte tot sein, Gray. O mein Gott. Der Bote ist zuerst zu deinem Stadthaus geritten und erst dann hierher gekommen. Er hat einen ganzen Tag verloren.«
Jack war außer sich vor Sorge, das war ihm klar, aber er wusste nicht, was er tun sollte. Er hob ihre Hand und rieb sich damit leicht über die Wange. »Alles ist möglich, aber wir wollen uns damit nicht aufhalten. Du bist die optimistischste Person, die ich kenne, Jack. Jetzt werde nicht zum Unheilverkünder.«
»Sie ist noch so klein, Gray. Und niemand kümmert sich um sie in Carlisle Manor, niemand. Sie hat Dolly, die seit ihrer Geburt ihr Kindermädchen ist, und natürlich die anderen Dienstboten, aber niemand liebt sie wirklich. Gott sei Dank hat mich mein Stiefvater wenigstens verständigt. Ich frage mich nur, warum er das getan hat.«
»Um dich zu quälen.« Er zog sie an sich und küsste sie aufs Haar. »Heute Nachmittag sind wir in Carlisle Manor. Dann sehen wir weiter.«
»Er ignoriert sie, Gray. Ich könnte schwören, er weiß noch nicht einmal, wenn sie im Haus ist.«
Die Kutsche fuhr langsam durch die Church Street, vorbei an dem großen Uhrenturm, dann über die West Street zur Kings Road und zum Hafen hinunter. Es war ein wunderschöner sonniger Tag in Brighton. Die Seeluft roch würzig und frisch, und der Wind vom Meer bauschte die Röcke einer Lady, die mit ihren Kindern am Pier spazieren
ging.
»Mein Vater ist einmal mit mir nach Brighton gefahren, als ich zehn Jahre alt war«, sagte Jack. »Er erzählte mir, dass der Prinz gerade das Innere des Pavillons im chinesischen Stil hatte dekorieren lassen.«
Gray verdrehte die Augen. »Mein Vater fluchte jedes Mal, wenn jemand den Pavillon erwähnte. Er sagte, die Kosten dafür würden England in den Ruin treiben.«
»Ich würde ihn mir gern einmal ansehen.«
Er schirmte seine Augen mit der Hand gegen die Sonne ab, um über den Kanal zu blicken. Gerade liefen ungefähr zehn Schiffe in den Hafen ein. »Das werden wir auch. Er ist bezaubernd. Der Prinz veranstaltet dort üppige Bankette ...«
Unvermittelt brach er ab. Sie weinte still vor sich hin, und die Tränen liefen ihr über die Wangen.
19
»Ist schon gut«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Alles wird gut.« Er dachte an die Nachricht, die er so hastig aufgefaltet hatte: Deine Schwester ist sehr krank. Wenn du sie sehen willst, bevor sie stirbt, kommst du am besten sofort. HWS
Was sollte man davon halten? Gray schloss die Augen und lehnte sich an die bequemen Polster. Er hielt sie fest im Arm, bis es zu regnen anfing. Sie richtete sich auf, blickte aus dem Fenster und sagte: »Vielleicht hat er gelogen.«
»Ja«, meinte er, »das ist gut möglich, nach dem Eindruck, den ich von deinem Stiefvater gewonnen habe. Du hast selbst gesagt, dass er aus Rachsucht alles Mögliche gegen uns unternehmen könnte. Beruhige dich, Jack. Lehn dich an mich.«
Am späten Nachmittag erreichten sie Carlisle Manor. Sir Henry befinde sich auf einem Ausritt mit Mrs. Finch, wurde ihnen von Darnley mitgeteilt, dem hohlwangigen Butler, der Jack vor vierzehn Jahren beigebracht hatte, wie man Silber polierte.
Jack packte ihn am Ärmel. »Meine Schwester, Darnley. Wie geht
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