Scharade der Liebe
es Georgie? Bitte, lebt sie noch?«
Der alte Mann sah sie überrascht an. »Natürlich lebt Eure Schwester noch«, sagte er. »Sie ist krank, das stimmt, aber es ist nichts Ernstes. Zumindest hat Dr. Brace nichts davon verlauten lassen. Er machte sich ein wenig Sorgen, dass die Erkältung auf ihre Lungen übergreifen könnte, aber das war bislang nicht der Fall.« Er schwieg, dann zuckte es in seinem Gesicht. »O Gott, seid Ihr deshalb so überraschend hier aufgetaucht? Ihr habt geglaubt, dass Miss Georgie sterbenskrank ist?«
»Mein Stiefvater hat uns einen Brief geschickt, Darnley. Er schrieb, sie läge im Sterben.«
»Nein, nein, Sir Henry hat die Angelegenheit missver-standen. Er hat Dr. Brace sicher nicht richtig zugehört. Sie ist allerdings so krank, dass Mrs. Smithers jetzt bei ihr ist, ebenso wie ihr Kindermädchen Dolly. Es tut mir schrecklich Leid, dass Ihr Euch solche Sorgen gemacht habt, Miss Winifrede.«
Sie sah aus, als würde sie jeden Augenblick zusammenbrechen. Dann jedoch siegte ihre Wut. Sie sagte zu Gray: »Er hat gelogen, aus Rachsucht. Ich gehe nach oben, um nach ihr zu schauen.«
Sie richtete sich entschlossen auf und ging die breite Treppe hinauf. Auf halbem Weg drehte sie sich um und sagte: »Gray, ich bin gleich wieder zurück.«
»Soll ich dich begleiten?«
»Nein, nimm du besser Sir Henry in Empfang, wenn er zurückkommt. Ich will ihn jetzt nicht sehen.«
»Keine Angst, Jack, es wird mir ein Vergnügen sein.«
»Bring ihn nicht um, Gray, es sei denn, du bist dir sicher, dass du dafür nicht gehängt wirst.«
»Ich werde alle Konsequenzen bedenken, bevor ich handle, Jack.«
»Mylord, es tut mir sehr Leid, dass Sir Henry Euch eine solche Nachricht geschickt hat. Ich bin sicher, dass Sir Henry es sich lange überlegt hat, bevor er Eure Hochzeitsreise mit Miss Winifrede - oder vielmehr Ihrer Ladyschaft Lady Cliffe - störte. Wie hübsch das klingt. Von uns wollte niemand, dass sie Lady Rye wird. Es war keine angenehme Vorstellung. Ah, aber Lady Cliffe und Ihr, ein junger Mann, der zweifellos einen tadellosen Ruf besitzt, obwohl Sir Henry auf Euch geschimpft hat... Es ist eine Schande, dass Sir Henry Eure Hochzeitsreise ohne jeden Grund gestört hat.«
Gray nickte und folgte Darnley in den langen, schmalen Salon, einen reizenden Raum mit deckenhohen Fenstern an der Südseite. Man hatte einen hübschen Blick nach draußen, wo der sorgfältig gepflegte Rasen in ein Ahornwäldchen überging.
»Werdet Ihr mit Lady Cliffe in Carlisle Manor übernachten, Mylord?«
Darüber hatte Gray noch gar nicht nachgedacht. Was sollten sie sonst tun? »Ja, wenn Sir Henry keine Einwände erhebt, was vermutlich jedoch der Fall ist.«
»Ich bringe Eure Koffer in das Eichenzimmer«, sagte Darnley. »Ich nehme nicht an, dass Miss Winifrede in ihrem alten Zimmer schlafen möchte.«
»Warum nicht?«
»Sir Henry hat sie dort an einem Stuhl festgebunden und sie drei Tage lang eingesperrt. Sie ist entkommen, indem sie ihre Bettlaken zusammengeknotet hat. Wir haben uns alle über ihren genialen Einfall gefreut. Nun, Mylord, ich werde das Zimmer sofort herrichten lassen. Dann kann es keine Einwände mehr geben. Und ich werde Mr. Potts informieren, dass zum Abendessen noch zwei weitere Personen anwesend sind.« Mehr für sich als an Gray gewandt, fügte er hinzu: »Ich muss darauf achten, dass ich nicht in Sir Henrys Gegenwart solche Dinge sage, damit er nicht glaubt, dass ich seine Handlungen missbillige.«
»Danke, Darnley.«
Als Darnley zurückkam, fragte Gray: »Wer ist übrigens Mrs. Finch?«
»Sie«, erläuterte Darnley, »ist eine Witwe, die kürzlich den Cit Palace in Brimerstock gekauft hat.«
»Cit Palace?«
»Ich glaube, es heißt immer noch Curdlow Palace bei denjenigen, die sich in der örtlichen Geschichte auskennen und die letzten zwanzig Jahre als Gegenwart und nicht als Vergangenheit ansehen. Da jedoch Euer Lordschaft fragend die Augenbrauen hochzieht, möchte ich hinzufügen, dass das Haus von einem Eisenhändler namens Greeley aus Newcastle vor ungefähr zwanzig Jahren erworben wurde. Er ist damals mit seiner Familie eingezogen, die aus dreizehn missratenen Kindern bestand. Eisen scheint jedoch nicht mehr zu gehen, und Mr. Greeley war gezwungen, an Mrs. Finch zu verkaufen. Ich muss sagen, dass die Dame durchaus eine Verbesserung darstellt.«
Gray schwieg, dachte aber über Mrs. Finch nach. Dann hörte Darnley die Stimme seines Herrn aus der Eingangshalle. »Entschuldigt mich, Mylord.
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