Scharade
reagiert, wenn er mich sieht. Wir werden bestimmt nichts tun, was seinem mentalen Zustand schadet.«
Der Psychiater wandte sich an Reyesâ Schwester. »Sie kennen ihn am besten, Mrs. Dunne. Was schlagen Sie vor?«
Er traute ihrem Urteil, weil sie als Krankenschwester in der Frauenabteilung der Klinik arbeitete. Das hatte sie Alex und Cat auf dem Weg in die Klinik erklärt.
»Wenn ich es für schädlich hielte«, sagte sie, »hätte ich sie nicht hierhergebracht. Ich denke, wenn sie ihn sehen, wird dies ihren Verdacht zerstreuen.«
Der Arzt überlegte seine Entscheidung sorgfältig. SchlieÃlich willigte er ein. »Zwei oder drei Minuten höchstens. Und daà Sie ihn nicht aufregen...« Letztere Bemerkung war an Alex gerichtet. »Burt wird Sie begleiten.«
Burt, ein Schwarzer in weiÃen Hosen und T-Shirt, war körperlich so imposant wie ein Verteidiger eines Footballteams.
»Wie geht es meinem Bruder?« fragte Mrs. Dunne ihn.
»Er hat heute morgen ein wenig gelesen«, antwortete Burt über seine breite Schulter zurück, als sie ihm den Korridor hinunter folgten. »Jetzt müÃte er eigentlich beim Kartenspiel im Gruppenraum sein.«
Sie betraten einen weitläufigen, hellen Raum, wo die Patienten fernsahen, Spiele spielten, lasen oder herumliefen.
»Das ist er.« Alex deutete auf Paul Reyes. »Ich habe ihn damals bei seinem Prozeà gesehen.«
Reyes war ein eher schmächtiger Mann mit schütterem Haar. Er saà abseits von den anderen, starrte ins Leere und
schien völlig in seiner eigenen Welt versunken zu sein. Seine Hände hingen zwischen den Beinen herab.
»Er hat seine Medikamente bekommen«, sagte Burt. »Aber wenn er sich trotzdem aufregt, dann müssen Sie sofort gehen, wie der Doktor gesagt hat.«
»Aber sicher«, sagte Mrs. Dunne.
Burt zog sich zurück, blieb jedoch an der Tür stehen. Cat bemerkte weiteres uniformiertes Personal inmitten der Patienten. Als sie sich umsah, empfand sie Mitleid mit den Menschen hier. Es waren erwachsene Männer, aber so abhängig wie Kinder; sie lebten wie Gefangene, eingeschlossen hinter Gittern und in ihrem emotionalen Elend.
Mrs. Dunne schien Cats Gedanken zu lesen. »Diese Klinik ist besser als die meisten. Wir haben wundervolle Ãrzte hier, die sich wirklich um die Patienten kümmern.«
Ihr Bruder hatte sie noch nicht bemerkt. Sie sprach voller Mitleid von ihm. »Vor drei Tagen tauchte Paul völlig unerwartet bei uns auf. Wir wissen nie, wann er sich blicken läÃt und in welcher Verfassung er dann ist.
Aber manchmal sind wir gezwungen, ihn in die Klinik zu bringen, bis es ihm wieder besser geht. So wie dieses Mal. Er war zutiefst depressiv, als er eintraf. Ich hab mir gedacht, daà es am Datum liegt. Morgen ist es vier Jahre her, seit... Aber das wissen Sie ja selbst.«
Cat nickte.
»Er fing an, sich sonderbar zu benehmen«, fuhr Mrs. Dunne fort. »Die Mädchen lieben ihn, aber sie bekamen Angst vor ihm. Mein Mann und ich brachten ihn dann hierher. Man riet uns nachdrücklich, ihn hierzulassen, damit ausführliche psychiatrische Tests gemacht werden können.« Tränen traten ihr in die Augen, als sie zu ihrem Bruder hinsah. »Ist es wirklich unumgänglich, daà Sie ihn stören?«
»Ich fürchte, ja«, kam Alex Cat zuvor. »Es wird nur eine Minute dauern. Wir machen es so schonend wie möglich.«
Mrs. Dunne legte ihre Fingerspitzen an ihre zitternden Lippen. »Als wir Kinder waren, war er immer so nett. Nie gab es Ãrger oder Streit. Immer war er lieb und zärtlich. Wenn er diese Menschen tatsächlich umgebracht haben sollte, dann hat er es gewià nicht gewollt. Es war eine andere Persönlichkeit in ihm, nicht mein lieber, herzensguter Paul.«
Alex legte ihr tröstend eine Hand auf den Arm. »Noch wissen wir es nicht sicher.«
Mrs. Dunne führte sie zu ihrem Bruder. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter und sprach ihn leise an. Er hob den Kopf und sah zu ihr auf, doch sein Blick war leer.
»Hallo, Paul. Wie geht es dir?« Sie setzte sich auf den Stuhl neben ihn und ergriff seine reglosen Hände.
»Morgen ist der Tag.« Seine Stimme klang rauh, so als wäre er heiser. »Der Tag, als ich sie mit ihm fand.«
»Versuch doch, nicht daran zu denken.«
»Ich muà immer daran denken.«
Mrs. Dunne befeuchtete nervös ihre Lippen mit der
Weitere Kostenlose Bücher