Scharade
genoà solch einfache Empfindungen. Er hatte gestaunt, wie sinnlich stimulierend die Welt war, wenn die Sinne nicht länger vom Alkohol betäubt waren.
Er hatte sich von seiner Sucht befreit, indem er sich freiwillig in eine Entziehungsklinik eincheckte. Nach Wochen reinster Höllenqualen war er wieder herausgekommen, bleich, ausgemergelt und zitternd, aber trocken. Und das war er nun schon seit mehr als zwei Jahren.
Gleichgültig unter welchen Druck er in Zukunft auch geraten mochte â er war fest entschlossen, nie wieder mit dem Trinken anzufangen. Diese Aussetzer hatten ihm eine Heidenangst eingejagt.
Er erreichte sein Apartment, doch es war kein Nachhausekommen. In den spartanisch eingerichteten Räumen stapelten sich Umzugskartons. Seine Recherchen machten es erforderlich, ständig auf Achse zu sein, und so blieb er nie lange an einem Ort. Es hatte keinen Sinn, sich niederzulassen. Eigentlich hatte er bereits alles für die erneute Abreise vorbereitet.
Er schlängelte sich zwischen den Kartons hindurch hinüber zum Schlafzimmer, das auch als Arbeitszimmer diente. Dies war der einzige Raum der Wohnung, der auch bewohnt aussah â in einer Ecke das ungemachte Bett und ein Schreibtisch und ein Arbeitstisch nahmen den meisten Platz ein.
Und überall Papier; stapelweise ausgedruckte Seiten, wo immer gerade Platz war, auch an die Wand geheftet. Dieses Chaos war die grimmige Erinnerung an seinen Abgabetermin. Sein Blick fiel auf den Wandkalender: 1. Mai. Die Zeit verging wie im Flug. Zu schnell.
Und er hatte noch so schrecklich viel zu tun.
Kapitel 14
»Was müssen wir machen, um den Kleinen ins Fernsehen zu kriegen und ein festes Zuhause für ihn zu finden?«
Aufgebracht blätterte Cat die Akte durch. Der kleine Danny hatte mit seinen vier Jahren schon mehr Schläge einstecken müssen als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben.
Sie überflog die Berichte und faÃte sie dabei laut zusammen. »Der Freund seiner Mutter hat ihn ständig verprügelt, bis ihr das Sorgerecht entzogen wurde und der Junge zu einer Pflegefamilie kam, wo es bereits mehrere andere Kinder gibt.«
Sie schaute auf und richtete den Rest ihrer Bemerkung an Sherry Parks, Expertin für Kinderschutz bei der Sozialfürsorge des Bundesstaates Texas.
»Wenigstens muà er nicht weiter als Sandsack für diesen Freund herhalten. Aber was Danny braucht, das ist jemand, der sich wirklich um ihn kümmert. Er braucht Menschen, die ihn adoptieren, Sherry.«
»Seine Mutter ist ja nur allzu bereit, ihn herzugeben.«
»Ja, wo liegt denn dann das Problem? Laà uns einen Beitrag über ihn drehen und Familien finden, die Interesse haben, ihn zu adoptieren.«
»Der Haken an der Sache ist der Richter, Cat. Wenn du willst, kann ich ihm Dannys Fall erneut vorlegen, aber ich kann nicht versprechen, daà er anders entscheiden wird als beim ersten Mal. Die Sachbearbeiterin für Danny vertritt hartnäckig die Meinung, daà er in eine Pflegefamilie gehört. Bis jetzt hat sich der Richter dieser Meinung angeschlossen.«
Seit dem Start von Cats Kids war Sherry Parks â in den mittleren Jahren und von mütterlicher Art â Cats Verbindungsperson zur Behörde gewesen. Sie setzte sich besonders
dafür ein, miÃhandelte oder sonstige Problemkinder aus dem Heimsystem rauszuholen und ihnen ein festes Zuhause durch Adoption zu ermöglichen.
Was kein einfaches Unterfangen war. Es gab unzählige Hürden. RegelmäÃig geriet Sherry mit Sachbearbeitern und zuständigen Richtern aneinander, die â wie jeder andere auch â vorgefaÃte Meinungen hatten, die ihre Entscheidungen bestimmten. So kam es vor, daà Kinder, die bereits im Elternhaus Opfer waren, nun zu Opfern der erbarmungslos mahlenden Mühlen der Behörden wurden.
»Ich bin sicher«, sagte Cat, »daà es die Sachbearbeiterin gut meint, aber ich bin der Ãberzeugung, daà Danny ein festes Zuhause braucht. Woran es ihm fehlt, ist Geborgenheit, und er braucht Eltern, bei denen er sich darauf verlassen kann, daà sie für ihn da sind.«
»Die Sachbearbeiterin beharrt darauf, daà er noch weitere Therapie benötigt, ehe er bereit für eine Adoption ist«, sagte Sherry Parks und spielte des Teufels Advokat. »Er wurde vom ersten Tag an vernachlässigt. Er muà lernen, was es heiÃt, in einer familiären Struktur zu leben. Eine
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