Scharade
ersten gemeinsamen Abend waren sie noch zweimal ausgegangen. Beim ersten Mal hatten sie sich zum Abendessen in einem Restaurant getroffen und waren danach getrennt heimgefahren. Am zweiten Abend hatte er sie abgeholt  â im Auto.
Sie waren zum Riverwalk gefahren, wo sie in einem kleinen Restaurant schlechtes mexikanisches Essen aÃen, dann waren sie die berühmte Promenade entlang des San Antonio River geschlendert. Nach einer Weile hatten sie die Läden und Galerien den Scharen von Touristen überlassen und waren hinauf zur StraÃe gegangen, wo es kühler und ruhiger war und weniger Trubel herrschte.
Sie überquerten die StraÃe, kauften sich bei einem verschlafenen StraÃenverkäufer Eis mit Piña-Colada-Geschmack und setzten sich auf eine abgeschiedene Bank unter einem Baum am Alamo Plaza. Die Sonne war bereits untergegangen und die Touristenbusse verschwunden; nur die beleuchtete Festung lag stolz und ernst da, ein passendes Monument der Ereignisse vor hundertfünfzig Jahren.
»Das war damals eine harte Entscheidung, was?« fragte Alex und schleckte sein Eis. »Was hättest du an ihrer Stelle getan? Wärst du geblieben und hättest unter Einsatz deines Lebens gekämpft?«
»Schwierige Frage. Ich schätze schon, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, nicht mehr zu verlieren zu haben als mein Leben. In gewisser Weise ging es mir ja auch so.«
Er sah sie fragend an.
»Kurz vor meiner Operation wurde mir plötzlich klar, daÃ
sie mir das Herz herausschneiden. Bitte, versteh das nicht falsch«, beeilte sie sich zu sagen. »Ich wollte unbedingt ein neues. Aber einen Herzschlag lang war ich mir nicht sicher. Ich würde sterben müssen, um weiterzuleben. Das war ein ernüchternder Augenblick der Erkenntnis.« Sie sah ihn an und lächelte. »Aber das ging vorbei, und ich bekam ein neues Herz und ein zweites Leben.«
Schweigend aÃen sie ihr Eis. Eine Kutsche fuhr vorbei. Es saà niemand drin, nur der Kutscher hockte mit eingesunkenen Schultern auf dem Bock, das bärtige Kinn auf der Brust; er sah ebenso müde aus wie sein Pferd.
»Cat?«
»Hm?«
»WeiÃt du eigentlich, wer dein Spender ist?«
»Nein.«
»WeiÃt du gar nichts über â«
»Nein, und ich will es auch nicht wissen.«
Er nickte, aber es war offenkundig, daà er mit ihren lapidaren Antworten nicht zufrieden war. »Wie kommtâs? Ich meine, ist das bei allen Patienten einer Transplantation so?«
»Nein. Einige wollen die Familie der Spenderin oder des Spenders kennenlernen und ihnen persönlich danken. Sie wollen, daà die Angehörigen wissen, daà sie sich des groÃen Opfers bewuÃt sind. Manche wollen alles über den Menschen wissen, von dem sie das gespendete Organ haben.« Sie schüttelte hartnäckig den Kopf. »Ich nicht. Ich könnte damit nicht klarkommen.«
»Inwiefern nicht?«
»Was ist, wenn sie enttäuscht von mir sind?«
»Das bezweifle ich aber stark.«
»Man kann nie wissen. Und anstatt darüber zu grübeln, ob oder ob nicht, sorge ich lieber dafür, daà mein Leben etwas zählt. Dann war ihr Opfer nicht umsonst.«
Damit hatten sie das Thema bewenden lassen. Er hatte
nicht weiter gefragt, und sie war froh darüber. Es war ein heikles Thema. Sie hatte mit ihm offener darüber gesprochen als mit jedem anderen, Dean ausgenommen.
Nun fiel ihr Blick auf die Schublade ihres Nachttischchens, und sie spielte mit dem Gedanken, ihm eine weitere beunruhigende Sache anzuvertrauen â die Briefe, die sie in letzter Zeit erhalten hatte. Sie hätte gern seine Meinung dazu gewuÃt, beschloà aber, ihn lieber nicht zu fragen. Sie hatte ihn schon viel zu lange von der Arbeit abgehalten.
»Ich muà jetzt auflegen. Tut mir leid, daà ich dich gestört habe.«
»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Ich hab schon seit Stunden am Computer gehockt und brauchte dringend mal âne Verschnaufpause. Danke, daà du mich zu der Party der Websters eingeladen hast.«
»Danke, daà du die Einladung angenommen hast.«
»Ich werd mich auch benehmen.«
»War doch nur SpaÃ.«
»Weià ich.«
Sie hörte das Lächeln in seiner Stimme. Es paÃte zu ihrem. »Gute Nacht, Alex. Wir sehen uns Samstag abend.«
Sie hatte noch lange ein Lächeln im Gesicht, nachdem sie aufgelegt hatte. Kein Zweifel, diese
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