Scharfe Pranken
dem, was Bo ihr erzählt hatte, musste sie sich genau zwischen einer amerikanischen und einer kanadischen Bärenstadt befinden.
Blayne beschloss, sich später noch einmal danach zu erkundigen, streichelte dem Hund über den Kopf und lief den Hügel wieder hinunter. Sie legten keine Pause ein, und als sie durch einen Wald rannten und Blayne in der Ferne einen Teich erkannte, blieb sie stehen. Sie ging ein wenig näher heran und lächelte, während sie Bo Novikov dabei zusah, wie er das tat, was er am besten konnte: das Eis erobern.
»Er ist unglaublich, oder?« Der Hund schmiegte sich an ihr Bein, ließ seine Zunge heraushängen und sah sehr glücklich aus. »Wenn ich mich so bewegen könnte, Kleiner, dann würde mir auch die Welt gehören.«
Der Hund lief um sie herum und rannte davon. Lachend folgte Blayne ihm.
Kapitel 20
Bo stieg die Stufen zur Veranda hinauf und betrat das Haus seines Onkels. Grigori kam ihm im Flur entgegen. Er trug seinen dicken Mantel.
»Wo gehst du hin?«, wollte Bo wissen und ließ seine Ausrüstung direkt neben der Tür fallen, wie er es immer getan hatte.
»Ein Sturm zieht auf.«
»Na und?«
»Sei nicht so vorlaut.«
Zu müde und viel zu glücklich und zufrieden, um sich zu streiten, ging Bo an seinem Onkel vorbei in Richtung Badezimmer. Vor dem Esszimmer blieb er jedoch stehen und fragte: »Was ist das denn alles?«
»Die Nachbarn haben was zu essen vorbeigebracht.«
»Das ist aber nett.«
»Ja.« Grigori öffnete die Haustür. »Aber nicht für dich. Für Blayne Thorpe.«
»Für Blayne?«
»Das hab ich doch gerade gesagt.«
»Ist sie hier?«
»Nein. Aber ich halte nach ihr Ausschau, wenn ich …«
Blayne kam durch die Tür gerannt, bevor Grigori seinen Satz beenden konnte. Sie war jedoch nicht allein.
»Was ist das ?«, wollte Grigori wissen.
»Mein neuer Freund. Er hat noch keinen Namen. Sag mir Bescheid, wenn dir einer einfällt.«
»Er kann hier nicht bleiben.«
Blayne nahm ihre albernen Ohrenschützer ab. Er hasste diese Dinger – diese kleinen Hasenköpfe waren unheimlich. »Warum nicht?«, fragte sie.
»Was meinst du mit: ›Warum nicht?‹ Weil ich ihn nicht hierhaben will.« Blayne erwiderte nichts, sondern schaute den viel größeren und kräftigeren Eisbären nur an. »Du hast gehört, was ich gesagt habe«, meinte er bestimmt. »Er kann hier nicht bleiben.« Sie blickte ihn nur weiter an, und Bo konnte sich die großen Hundeaugen, in die sein Onkel gerade schaute, nur allzu gut vorstellen … und sie gehörten nicht dem Hund. »Du bist hier nur zu Besuch, Blayne Thorpe, vergiss das nicht. Und auch nur dank meiner Gutmütigkeit. Du solltest dein Glück also nicht herausfordern.« Der stumme Blick dauerte an, bis Grigori ein Knurren ausstieß und brummte: »Er sollte besser verschwunden sein, wenn ich morgen früh zurückkomme!« Dann stürmte er hinaus.
Die Tür fiel ins Schloss, und Blayne drehte sich zu Bo um. Für eine Hündin, die unter Bären gefangen war, sah sie ziemlich selbstgefällig aus. Er deutete in Richtung Esszimmer. »Was hast du heute angestellt?«
Sie stellte sich neben ihn und starrte auf den Esszimmertisch. »Wow. Ist das alles für uns?«
»Nein. Das ist alles für dich . Anscheinend denken hier alle, Grigori und ich wollten dich verhungern lassen.«
Sie grunzte leise. »Alter, dein Akzent kommt langsam zurück.«
»Ich habe keinen Akzent. Und hör auf, mich Alter zu nennen.« Bo kratzte sich am Kopf. Es war Zeit für eine Dusche. Apropos …
»Das ist von Irina Zubachev.«
Bo biss die Zähne zusammen, als Blayne laut kreischte und sich auf die Tüten stürzte. »Ich kann’s kaum erwarten, das alles auszuprobieren!«
»Tja, du kannst es ausprobieren, sobald ich geduscht habe. Grigoris Dusche ist kaputt, und im anderen Bad ist nur eine Badewanne, also …«
Bo sah zu, wie Blayne sich beide Tüten schnappte und in Richtung der einzigen funktionstüchtigen Dusche des Hauses davonstürmte.
»Blayne Thorpe, denk nicht mal dran …«
»Ha ha!«, jauchzte sie und knallte die Tür zu, bevor er seinen Satz beenden konnte. Kochend vor Wut senkte er den Blick und sah, wie der übel zugerichtete Hund, den Blayne mitgebracht hatte, ins Wohnzimmer zurückwich, um sich unter der Couch zu verkriechen.
»Gute Idee«, murmelte Bo und sah auf die Uhr. Okay, okay. Wie lange konnte sie in der Dusche schon brauchen? Zehn Minuten? Vielleicht fünfzehn? Er konnte warten.
Er ging zum Badezimmer, stellte sich vor die Tür, verschränkte die
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