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Scharfe Pranken

Scharfe Pranken

Titel: Scharfe Pranken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. A. Aiken
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Beine ausstreckten und in aller Stille nachdachten … über was? Den wahren Sinn des Lebens? Mathematische Theoreme? Ein bedeutendes wissenschaftliches Experiment?
    Bären waren so klug, dass es durchaus möglich war, dass die drei das nächste große Ding ersannen. Blayne hätte darauf gewettet, dass es ein großartiges Gefühl war, so ein kluges Hirn zu sein und so denken zu können. Blayne hatte immer ein Genie sein wollen und sich gewünscht, Theoreme und Gleichungen genauso fix ausspucken zu können wie Zitate aus schlechten Horrorfilmen oder jeder beliebigen Folge von Seinfeld . Leider speicherte ihr Hirn Dinge jedoch nicht allzu lange. Wichtige Dinge jedenfalls nicht.
    Oder zumindest nicht so lange wie das Hirn dieser Bären. Dieser klugen, fürsorglichen, liebevollen Bären.
    Dann sah Blayne, wie eine Robbe durch ein Loch im Eis auftauchte, und einer der Bären packte sie am Kopf und zog sie heraus. Die Robbe kreischte, aber der Eisbär biss in ihren Kopf, hielt sie fest und eilte davon. Die anderen beiden Eisbären rannten ihm nach. Blayne hatte den Eindruck, das Ganze sei für sie nur ein Spiel und kein Kampf auf Leben und Tod, wie sie sie hin und wieder auf dem National Geographic Channel sah. Sie fand es furchtbar. Als die Bären anfingen, Tauziehen mit der noch atmenden, aber dem Tod bereits sehr nahen Robbe zu spielen, wandte Blayne sich ab und lief den Hügel wieder hinunter. Sie war kaum unten angekommen, als sie erstarrte, ebenso überrascht wie besorgt.
    »Hey, du«, sagte sie und ging in die Hocke. Er wagte es nicht, sich ihr zu nähern, und beobachtete sie nur aufmerksam. »Wo kommst du denn her, Kleiner?« Sie lächelte und breitete die Arme aus. »Komm schon.«
    Der kleine Mischlingshund schien keine weitere Aufforderung zu brauchen, rannte auf sie zu und sprang in ihre Arme. Ihr fielen sofort drei Dinge auf: Dieser Mischlingshund war durch die Hölle und wieder zurück gegangen. Sein Bein war gebrochen, und niemand hatte sich die Mühe gemacht, es zu versorgen. Und irgendein Wahnsinnsgenie hatte einen Pitbull mit einem Wolf gepaart – um was zu erschaffen? Die ultimative Kampfrasse?
    Da sie beinahe in einer ähnlichen Situation gelandet wäre, spürte Blayne sofort eine Seelenverwandtschaft mit dem knapp vierzig Kilo schweren Hund. Sie drückte ihn an sich und passte auf, keine seiner frischen Wunden zu berühren. Im nächsten Moment stellte sie jedoch fest, dass er gar keine frischen Wunden hatte. All seine Narben waren alt, und sein Bein war schon vor langer Zeit zu einem nutzlosen Anhängsel verheilt. Trotzdem konnte er nicht älter sein als ein oder zwei Jahre.
    »Wie heißt du denn, Kleiner? Haben sie dir überhaupt einen Namen gegeben?«
    Obwohl er ihr gegenüber anfangs so vorsichtig gewesen war, schlabberte er sie nun mit nassen Hundeküssen voll und hüpfte aufgeregt hin und her, weil er endlich einen Freund gefunden hatte.
    »Oh, mein Gott, bist du süß! Willst du mit mir kommen? Willst du mit mir laufen?«
    Er drehte sich um und rannte davon, blieb dann jedoch noch einmal stehen und wirbelte herum, um sie anzusehen. Blayne richtete sich wieder auf und folgte ihm. Für einen praktisch dreibeinigen Hund war er überraschend schnell, aber Blayne hielt mit ihm Schritt und passte ihr Tempo so an, dass sie gemeinsam laufen konnten. Sie überließ ihm die Führung und folgte ihm einen weiteren hohen Hügel hinauf. Auf dem Gipfel blieben sie stehen, und Blayne schaute nach unten. Der Anblick faszinierte sie. Sie streckte ihre Hand aus, und ihre behandschuhten Finger drangen durch den Wintersturm, der sich wie eine Wand vor ihr aufbaute und Schnee und Eis durch die Luft wirbelte. Als sie ihre Hand wieder zurückzog, waren die Fingerspitzen ihrer Handschuhe zusammengefroren. Dass ihre Finger nicht abgefroren waren, hatte sie allein der Tatsache zu verdanken, dass sie nicht vollkommen menschlich war.
    Sie schüttelte den Kopf und sagte zu dem Hund, der neben ihr stand: »Das ist unglaublich, oder? Und seltsam.«
    Blayne wollte sich gerade wieder umdrehen, hielt jedoch inne und lehnte sich ein Stück nach vorn. Da sie nicht wollte, dass ihr die Nase abfror, beugte sie sich jedoch nicht allzu weit vor. Sie wunderte sich über die Farm, die sie auf der anderen Seite der Sturmwand erkennen konnte. Die Farm bestand aus mehreren Gebäuden, die völlig verlassen aussahen und direkt am Meer standen. Ein wirklich hübsches Stück Land, nur dass es meilenweit von allem und jedem entfernt war. Nach

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