Scharfe Pranken
undankbar.«
Das Training war tatsächlich früher zu Ende. Höchstwahrscheinlich weil der Teamkapitän nicht aufhörte zu winseln, sein Gesicht schmerze nach seinem Zehn-Meter-Sturz noch immer ganz furchtbar. Jammerlappen . Als die Mannschaft schließlich verschwunden war, hatte Bo das Eis wieder für sich allein.
Den Puck mit dem Schläger vor sich herschiebend, beschrieb er auf seinen Schlittschuhen eine Acht, indem er Schleifen um die Tore fuhr, und nahm unterwegs an Fahrt auf. Das wurde er niemals leid. Er konnte tagelang auf dem Eis bleiben und war glücklich dabei.
Bo raste in den Schusskreis. Er wollte den Puck gerade wieder ans gegenüberliegende Ende schießen und wäre beinahe ins Netz gerauscht, als er Blayne durch die Tür skaten sah. Sie trug ihren Helm, Ellbogen- und Knieschützer sowie fingerlose Handschuhe, wie er sie beim Krafttraining benutzte.
Bo vergaß den Puck – vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben – und fuhr zu ihr.
»Hi. Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?« Sie hatte seitlich am Kopf eine Schnittwunde, und über ihren Kiefer rann Blut.
»Hä?« Sie legte eine Hand auf ihr Gesicht. »Oh, das. Das ist nichts. Das hab ich mir beim Mannschaftstraining geholt.«
»Mal wieder nicht aufgepasst?«
»Können wir vielleicht später darüber sprechen?«
»Okay. Also, was gibt’s?«
»Äh … es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass gerade vielleicht ein paar Löwen unterwegs sind, um dich zu töten. Okay … ciao!« Sie drehte sich um und wollte davonfahren, aber Bo packte sie hinten an ihrem Sweatshirt. Sie skatete noch etwa eine Minute weiter, bis sie sich schließlich ergab und ihre Arme schlaff an ihren Seiten herunterbaumeln ließ.
»Möchtest du mir nicht sagen, warum gerade ein paar Löwen unterwegs sind, um mich zu töten?«
»So hab ich das nicht gesagt. Ich hab gesagt, vielleicht.« Sie drehte sich zu ihm um. »Ob die die nötige Energie aufbringen, ihre faulen Hintern hochzukriegen und hierherzufahren … Ich würde mir mehr Sorgen machen, wenn es Löwinnen wären. Dann würde ich dir raten, aus der Stadt zu verschwinden.«
»Blayne.«
»Ja?«
»Was ist hier los?«
»Es tut mir leid«, platzte sie heraus.
»Okay.«
»Es tut mir so, so, so leid!«
Die wunderbare Welt des Hirns der Blayne Thorpe. Wenn er eine direkte Antwort wollte, musste er sie darum bitten. »Vielleicht solltest du mir zuerst erzählen, was passiert ist, bevor du dich noch weiter entschuldigst. Mich beschleicht das Gefühl, dass wir sonst die ganze Nacht hier sind.«
»Es ist Mitchs Schuld«, begann sie.
»Okay.« Er wartete ein paar Sekunden und fragte dann: »Wer ist Mitch noch mal?«
»Gwens Bruder.«
»Okay.«
»Er ist ein großer Fan.«
»Okay.«
»Bis auf das Jahr, als du in Dallas warst. In dem Jahr hat er dich gehasst.«
»Er wäre nicht der Erste aus Philly, der so empfindet. Und Mitch hat …«, drängte er, als sie wieder in Schweigen verfiel.
»Oh. Richtig. Okay, das war so: Ich war bei Jess, und sie ist schwanger und ein bisschen niedergeschlagen, weil, du weißt ja, das ist nie leicht, und ich glaube, sie ist einfach furchtbar müde und fühlt sich ausgeschlossen, und das ist ihr erster Welpe, und ich bin sicher, dass es besser wird, wenn sie erst mehrere hat, was sie und Smitty anscheinend sowieso vorhaben, und ich habe versucht, sie aufzuheitern, was echt ein Problem für mich ist – nicht Leute aufzuheitern, sondern das, was ich mache, um sie aufzuheitern, ich rede nämlich die ganze Zeit … pausenlos … und bevor ich überhaupt darüber nachdenken konnte, hatte ich ihr und der gesamten Meute erzählt, dass wir heute Morgen mit Bernie zusammen gefrühstückt haben, und sie haben natürlich sofort angenommen, dass wir zusammen sind, und ich hab ihnen gesagt, dass du keiner von meinen Kavalieren bist, aber sie haben mir nicht geglaubt, und während ich also versucht habe, ihnen zu erklären, dass du das nicht bist, kam Mitch rein und hat nur so viel gehört, dass er ein Riesendrama daraus machen konnte, und ich habe versucht, ihn aufzuhalten, damit er nicht herkommt und sich umbringen lässt, und ich hatte ihn mit meinem Todesgriff gepackt, aber er ist nun mal ein Löwe, und der Griff war bei ihm nicht so effektiv wie bei seiner Schwester, und dann hab ich ihm gesagt, dass er die Klappe halten soll, aber das hat er nicht, und jetzt denkt ganz Philly, dass du mich nur ausnutzt, und alle O’Neill-Männer sind wütend, weil ich praktisch zur Familie
Weitere Kostenlose Bücher