Schartz, S: Elfenzeit 15: Die Goldenen Äpfel
blies.
Der Staub fiel auf stoffliches Gewebe und sickerte ein. Der Schattenmann atmete tiefer, schlug die Augen auf. Langsam drehte er den Kopf und richtete seinen Blick auf den Wüstenbewohner. Seine Augen waren völlig schwarz, starr und leer, mit einer spiegelnden Oberfläche.
Der Nomade öffnete den indigoblauen Gesichtsschleier des Aleshu und offenbarte ein tief gebräuntes, hageres Gesicht, dessen alte Haut sich in Hunderte Fältchen legte, als er lächelte.
»Ayoub«, sagte er und wies auf sich.
Der Schattenmann öffnete den Mund und versuchte zu sprechen, was ihm erst nach einer Weile gelang. Seine Stimme klang wie der ferne Wind der Wüste. »Du bist
Imuhagh
«, hauchte er. »Targi.«
Der Mann der Wüste nickte und lächelte breiter. »Du hast einen weiten Weg hinter dir, scheint mir.«
Der Schattenmann ging nicht darauf ein. »Fürchtest du nicht den Totengeist, der dir in den Mund kriecht, weil du dein Gesicht entblößt?«
»Ich fürchte niemanden. Und du bist weder tot noch Geist.«
»Du täuschst dich ...«
»Schweig still, Schattenmann. Ich kenne dich. Ich gebe dir, was du brauchst.« Ayoub hielt die flach ausgestreckte Linke über den Brustkorb des diffusen Wesens, die Rechte presste er fest in den Sand. Bald darauf glühte die rechte Hand wie von einem inneren Licht auf. Ein Blitz schoss aus dem Boden hervor und schlug in den Schattenmann ein.
Der Imuhagh löste die Verbindung und sank erschöpft in sich zusammen. Um nicht zu viel Flüssigkeit zu verlieren, schlug er das Tuch um den Mund. In der Wüste war jeder Atemhauch zu kostbar, um verschwendet zu werden. Aus trüben Augen beobachtete er, wie der Schattenmann stofflicher wurde. Das unstete Flackern der Gestalt hörte auf. Eine lange Kutte bildete sich schützend um ihn, Stiefel und Handschuhe, und dann richtete er sich auf und schlug die Kapuze über. In der Finsternis darunter entstanden zwei glühende Sterne, wo zuvor lichtlose Augen gewesen waren.
»Ich schulde dir Dank, Ayoub«, sprach der Schattenmann, und seine deutlich voluminöse Stimme gewann zunehmend an Tiefe.
»Du schuldest mir nichts.« Der Imuhagh winkte ab. Er spürte den Blick des Verhüllten tief in sich dringen.
»Du bist eine wandernde Seele«, stellte er fest. »Mir ist, als müsste ich dich kennen – doch ich bin kaum bei mir.«
»Wir kennen uns tatsächlich«, stimmte Ayoub heiter zu. »Wie nennst du dich in dieser Epoche, mein Freund?«
»Wie in jeder.« Ein kurzes Zögern, als wäre er unsicher, dann sagte er langsam: »Ich bin ... der Getreue. Wenn auch abgeschnitten von dem, dem ich Treue schulde ... Ich kann mich nicht mehr erinnern ...«
»Du bist auf der richtigen Fährte.« Ayoub deutete auf den Boden. »Instinktiv hast du die lebensrettende Ader gefunden. Sie ist nach wie vor stark, und deswegen bin auch ich immer noch hier. Mein ganzes Leben bewege ich mich an ihr entlang und bin dessen nie müde geworden.«
»Was führt dich zu mir?«
»Der Wind flüsterte es mir und wies mir den Weg. Ich kam, um zu helfen.«
Der Getreue schien nachzudenken. »Wie viele von deiner Sorte gibt es noch?«
Ayoub hob die Schultern. »Nicht mehr viele, glaube ich. Die Geistersphäre leert sich. Es ist sehr still geworden, seit die Erste von uns gegangen ist ...«
Der Getreue stieß einen schmerzvollen Laut aus. »Island ...«, flüsterte er. »Ich erinnere mich, dort gewesen zu sein ...«
»Etwas geschah, was alle Sphären erschütterte«, sagte Ayoub. »Und hier verändert sich seither die Sphäre. Die Grenzen sind geöffnet ...«
»Warum bist du allein, Ayoub? Wohin gehst du?«
»Ich reise zumeist allein. Wenn ich es möchte, finde ich allerdings überall gute Gastfreundschaft, denn ich gelte als heiliger Mann, und außerdem bin ich reich. Mein Clan verwaltet mein Vermögen, längst ist er sesshaft geworden und der Gier nach Reichtum erlegen. Meine Leute sind keine Berber mehr und noch weniger Tuareg. Ich aber blieb Nomade, kann nichts anderes sein. Meine Seele wohnt schon so lange hier, dass sie ein Teil der Wüste wurde. Und wohin ich gehe? Als ob du das nicht wüsstest.«
Der Getreue schüttelte leicht den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich müsste es wissen, aber dem ist nicht so. Die Erinnerungen kehren nur langsam wieder ... das Wissen ...«
Ayoub wies auf die Wüste. »Ich gehe nach Gewas.«
»Die Oase Gewas? Ich kenne sie. Das ... das Paradies? Weißt du nicht, dass niemand sie finden kann, der sie sucht?«
»Genau deswegen bin ich unterwegs. Meine
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