Schartz, S: Elfenzeit 15: Die Goldenen Äpfel
der Diskussion.«
Notgedrungen gab er nach. Dann musste er eben einen anderen Weg finden.
Es kam in den Abendnachrichten. Nachdem einige Penner in den vergangenen Nächten erfroren waren, hatte die Presse nun etwas Neues – hervorgerufen durch eine weitere aufgefundene Leiche. Einer undichten Polizeistelle zufolge war keiner der Obdachlosen eines natürlichen Todes gestorben, wobei die genaue Todesursache bisher nicht feststand. Aber alle Opfer waren den Berichten zufolge grausam entstellt gewesen; teilweise habe sogar die Haut gefehlt oder sie hätten wie eingetrocknet gewirkt ...
Robert war sofort hellwach. »Das geht nicht mit rechten Dingen zu! Komm, das müssen wir uns ansehen, und zwar sofort!« Er sprang auf und lief zur Garderobe. Nicht, dass er einen Mantel brauchte, aber es würde doch zu sehr auffallen, wenn er bei mehreren Minusgraden im Hemd spazieren ging.
Nach kurzem Zögern folgte Anne ihm. Robert war auf Fragen oder Vorhaltungen gefasst gewesen, doch sie zog schweigend ihre weiche Samtjacke an, und er fühlte sich auf einmal so beschwingt, als wäre etwas von ihr auf ihn übergesprungen.
Sollte etwa ... Er führte den Gedanken nicht zu Ende, das war im Moment unwichtig und lenkte nur ab. Da draußen wartete eine Reportage auf ihn!
Um schneller zu sein, fuhren sie eine Station mit der U-Bahn zum Karlsplatz und kamen in der Nähe des Mathäser-Filmpalastes heraus, doch es war nicht einfach, die Station zu verlassen. Unten herrschte dichtes Gedränge, einige Ausgänge waren gesperrt worden, und überall standen Polizisten. Anne und Robert brauchten fast zehn Minuten, bis sie endlich oben ankamen. Eine Menge Schaulustige waren bereits vor Ort, dazu Übertragungswagen diverser TV-Sender. Scheinwerfer schnitten grelle Lichtbahnen in die Dunkelheit und schufen in unmittelbarer Nähe harte Schlagschatten, die in unregelmäßigen Abständen dick eingemummte und sichtlich mit irgendwelchen wichtigen Dingen beschäftigte Gestalten gebaren.
Robert sah sich aufmerksam um, und dann hoben sich seine Brauen. Hastig ergriff er Annes Hand und zog sie mit sich, auf die Absperrung zu. Als ein Polizist ihn aufhalten wollte, zeigte er seinen Presseausweis und deutete auf einen Mann Ende fünfzig, dessen Halbglatze dem erneut einsetzenden Schneefall schutzlos ausgeliefert war. Der Mann trug einen billigen Mantel, einen dampfenden Kaffeebecher in der linken Hand und eine Brille auf der Nase, die sein halbes Gesicht bedeckte.
»Das ist Hans-Peter Dauß, wir sind schon sehr lange befreundet«, erklärte Robert dem Polizisten. »Er erwartet mich!«
»Tut mir leid«, erwiderte der Uniformierte. »Ich habe strikte Anweisung, niemanden durchzulassen, und das gilt besonders für die Presse.«
»Aber ...«, setzte Robert an.
Anne schob sich neben ihn. »Haben Sie nicht gehört, dass wir erwartet werden?«
Der Polizist schluckte trocken und wirkte eingeschüchtert, wich aber keinen Millimeter zurück. »Ich habe meine Anweisung, meine Dame. Wenn ich die nicht befolge, bin ich meinen Job los.«
»Lass nur.« Robert winkte ab, sprang vor dem Absperrband auf und ab und wedelte heftig mit den Armen. »Jim!«, rief er dabei. »He, Jim Gordon!«
Der Mann mit dem Kaffeebecher fuhr herum, und feiner Sprühregen verteilte sich rings um seinen Kopf im Scheinwerferlicht. Als er Robert entdeckte, war sein Seufzen bis hierher zu vernehmen. Langsam kam er näher und nickte dem Polizisten zu. »Lassen Sie ihn und seine Begleiterin durch, das geht in Ordnung.«
Der Polizist verzog keine Miene, als er das Absperrband hob und das Paar hindurchschlüpfte.
»Musstest du das über die ganze Stadt brüllen?«, empfing Hans-Peter Dauß den Autor. »Ist ja peinlich.«
Robert grinste breit und schlug dem älteren Mann auf die Schulter. »Ach was, es erinnert sich doch niemand mehr daran.«
»Wenn er Gordon ist, dann bist du wer? Batman?«, fragte Anne stirnrunzelnd ihren Gefährten.
»Der? Nein, das ist Jimmy Olsen, als er noch Praktikant war«, widersprach der Mann.
Robert lachte fröhlich.
»Muss ich das verstehen?«, fragte Anne.
»Nicht unbedingt. Ich bin nicht mal sicher, ob ich es je verstanden habe.« Er hielt Anne die Hand hin. »Hans-Peter Dauß, Pressereferent des Hauptkommissariats. Sehr erfreut.«
»Das wird sich noch herausstellen«, erwiderte sie augenzwinkernd. »Anne Lanschie. Ich bin Roberts Frau.«
Robert platzte fast vor Stolz. So hatte sie sich anderen noch nie vorgestellt. Das war doch all die Strapazen und
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