Schartz, S: Elfenzeit 15: Die Goldenen Äpfel
beide zu erwachsen dafür, oder nicht?«, bemerkte Anne sarkastisch.
»Aber nein, aber nein, dafür kann man nie erwachsen genug werden.« Er grinste. »Wobei, aus der Rolle des Olsen bin ich tatsächlich herausgewachsen. Jetzt bin ich mehr ein Superheld wie Blade oder so.«
»Du hast mehr von einem Elfen an dir, als du ahnst.« Sie lachte, was selten genug vorkam. »Anscheinend bist du gerade heimgekehrt.«
»So fühle ich mich, mein Herz.«
Der gesamte Stachus lag in romantischem Licht. Der einzige Schandfleck war der hässlich verdeckte Brunnen, der sonst im Sommer zusätzliche Stimmung verbreitete.
Ein steter Strom an Autos rollte vorbei. Es fiel schwer, zu glauben, dass an einem derart lebendigen Ort grausige Morde geschehen konnten, ohne dass die Ursache dafür gefunden wurde.
»Und denkst du immer noch schlecht über deine Stadt?«, fuhr Anne fort, während sie Arm in Arm zum verabredeten Punkt schlenderten.
»Nein«, antwortete er grummelnd. »Ich meine, ja. Ich meine ... Diese Stadt ist schön. Man wird sogar mit Hund freundlich aufgenommen, ohne gleich als niederträchtiger Sünder und Umweltverschmutzer verschrien zu sein. Aber was mich stört ... ist das, was verloren gegangen ist. München hat versucht, sich an die Moderne anzupassen, und dabei seine eigene Identität aufgegeben. Das ist, was ich ihm vorwerfe. Die Stadt hat all das verworfen, was sie liebenswürdig und lebenswert gemacht hat. Wien ist die Anpassung besser gelungen, und von London brauchen wir erst gar nicht zu reden. München aber ist ein Dorf geblieben, das nicht weiß, wohin es gehört. Doch es hat auch studentisches Flair an gewissen Orten.«
Anne sah sich um. Leute spazierten ohne Ziel und Wollen, einfach nur so. Eine friedliche Atmosphäre herrschte und lullte alle ein. »Wo ist Tom denn?«, fragte die Muse.
»Na, hier«, erklang eine muntere Stimme, und plötzlich stand der blonde Journalist vor ihnen. »Ich folge euch schon eine Weile.«
Robert war verblüfft. »Wie ...«
Tom grinste vergnügt. »Erste Reporterregel: Falle niemals auf.«
»Das weiß ich, aber ...«
»Na ja, das ist so eine Sache. Ihr seid ja beide magische Geschöpfe.« Tom hob die Schultern. »Wisst ihr, als das auf Island geschah ... als alle nach Nadja gesucht haben und ...«
Robert erinnerte sich. »Ich habe mit Fabio telefoniert, als du auch da warst ...«
»Genau. Ihr seid alle nach Island geflogen. Und dann kam der Getreue und quetschte mich aus. Ich habe Nadja an ihn verraten.« Toms blaue Augen trübten sich. »Sie hat mir verziehen, ich mir aber nicht. Wie auch immer. Anstatt mich umzubringen, hat der Getreue mir etwas gegeben. Ich stellte es in Tokio fest, als ich Cagliostro begegnete. Zuerst haben wir ja darüber gerätselt, wie das möglich sein sollte. Auf dem Rückflug hatte ich allerdings genug Gelegenheit, darüber nachzudenken und meine Schlüsse zu ziehen. Meiner Ansicht nach gibt es nur eine einzige Erklärung.« Auffordernd sah er Anne an. »Mach was.«
»Und was?«, fragte sie irritiert.
»Wirke einen Elfenzauber gegen mich.«
»Was für ein dummes Spiel ist das?«
»Probier’s, Anne, bitte«, forderte Robert sie auf, der ahnte, worauf Tom hinauswollte.
Ihre Augen funkelten, aber dann gab sie nach und richtete ihren Blick auf Tom. Robert hörte durch seinen Vampirsinn, dass sie etwas zu ihm sagte, konnte es aber nicht verstehen.
Tom rührte sich nicht.
Anne machte ein verblüfftes Gesicht.
»Du wolltest, dass ich auf einem Bein herumhüpfe wie ein Gockel um eine Henne und dabei mit den Armen wedele«, sagte Tom völlig ernst.
»Ja«, gab sie zu. »Meine leichteste Übung. Ich habe noch nie versagt.«
»Das hast du auch nicht. Dein Zauber kam bei mir an. Aber ich habe ihn neutralisiert.«
»Was?«, rief Robert. »Du hebst jeden Zauber auf?«
»Ich weiß nicht, ob es mit jedem gelingt«, gestand Tom. »Aber Cagliostro, der übrigens ein
sehr
mächtiger Zauberer geworden ist, erzeugte keine Wirkung, solange ich in der Nähe war.«
Anne schluckte. »Und das ... soll der Getreue dir gegeben haben?«
Tom nickte. »Ich kann dir versichern, dass ich diese Fähigkeit oder wie immer man es nennen will, vorher nicht besaß. Und ...« Er schloss die Augen, und Grauen verzerrte seine Miene. Dann brach es wie eine Sturmflut aus ihm hervor.
»Er ... hat mich vergewaltigt«, flüsterte er. »Nicht körperlich, sondern geistig, was viel schlimmer ist. Was er mir angetan hat ... Ich sage euch ehrlich, ich war zuerst nicht sicher,
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