Schartz, S: Elfenzeit 19: Kampf um Earrach
und ließ sie wieder fallen.
»Jetzt weißt du wenigstens, wie es sich anfühlt, wenn einem etwas verschwiegen wird«, bemerkte Robert trocken.
»Und wir sitzen so richtig in der Scheiße«, flüsterte Tom.
»So sieht’s aus. Rocky, vergiss deinen Bruder, wir gehen jetzt auf der Stelle nach Middleark hinunter. Chad, du bringst uns zu Leuten, bei denen wir darauf vertrauen können, dass sie unsere Anwesenheit nicht gleich publik machen.« Robert packte den zitternden Gnomen am Ohr und riss ihn hoch. Seine Augen glühten flammend rot durch die Düsternis, und seine Lippen hatten sich wie zu einem Fletschen verzerrt, aus dem seine Reißzähne weiß hervorleuchteten. »Aber ich warne dich: Wenn du das vermasselst, bringe ich dich um, das schwöre ich! Meine Geduld ist am Ende.«
»I… ich mach alles, was du willst!«, stammelte Chad, während Rocky nur noch lauter heulte. »Ich mach keine Fehler mehr, Ehrenwort! Wir wussten doch nich’, was wir machen sollten … Rockys Ma hat uns aufgetragen, nach Hilfe Ausschau zu halten, während wir weglaufen sollten. Sie war doch so verzweifelt, weil sie nich’ wusste, wie Middleark und Llundain zu helfen sein könnte, da wir abgeriegelt waren und keiner gewarnt oder gerufen werden konnte, und da … da sind wir euch begegnet, und … und …«
Tom trat zu Robert und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Lass ihn«, sagte er ruhig. »Wir haben es nicht zu spät erfahren, und es ändert nichts.«
»Er hat recht«, erklang Annes dunkle Stimme. »Lasst uns gehen.«
Robert setzte Chad ab, das Glühen in seinen Augen erlosch, und seine Zähne bildeten sich zurück. Die beiden Middlearker rissen sich zusammen und gingen voran, dann folgte Anne. Sie schritten über die Straße zur Queensway Station, um von dort aus über ein paar Geheimwege nach Middleark zu gelangen.
Robert und Tom bildeten den Schluss. »Du bist echt zum Gruseln, Mann«, flüsterte Tom dem älteren Freund zu. »Ich weiß ehrlich nicht, vor wem ich mich mehr fürchten soll: vor dir oder Cagliostro.«
»Hoffentlich geht das denen da unten genauso«, gab Robert ebenso leise zurück. »Ich weiß nämlich immer noch, was Angst ist.«
7 Tara
Sieh es dir an, mein Getreuer!« Königin Bandorchu stand an der Balustrade des Balkons vor ihrem Privatgemach, zu dem niemand außer ihr und ihrem Liebhaber Zutritt hatte und das sich ganz am Ende der Zimmerflucht befand. Erst vor Kurzem war sie in diesen neu errichteten Anbau umgezogen, da sie von dort aus die beste Sicht hatte. Der erste Blick auf ihr Reich fand am frühen Morgen statt, gleich nach dem Aufstehen, der letzte vor dem Zubettgehen.
Mit ausholender Geste wies sie auf Tara. So weit das Auge reichte, sah sie Soldaten und Krieger, und von Stunde zu Stunde wurden es mehr. Die Dunkle Königin musste immer weitere Ausstülpungen ihres Zwischenreiches vornehmen, damit alle Platz fanden. Rekrutenausbildungen, Übungskämpfe, Unterbringung der Kriegstiere und Einlagerung von Vorräten, Offiziersernennungen – es gab keinen ruhigen Moment mehr, keinen Müßiggang. Tara befand sich inzwischen auf einem Entwicklungsstand, der Bandorchu nicht mehr von den Menschen abhängig machte. Die in unmittelbarer Umgebung lebenden Iren dienten ihr weiterhin, aber sie brauchte sich nicht mehr um weitere »Freiwillige« zu bemühen.
Seit ihrer Rückkehr von Lyonesse war das Schloss erneut gewachsen, und selbst der unheimliche Turm, in dem Rhiannon gefangen gewesen war, stand nun nicht mehr isoliert und wurde für andere Zwecke verwendet.
»Täglich werden es mehr, viel mehr. Bist du zufrieden?«
»Ich sollte es sein«, antwortete der Getreue.
Bandorchu lehnte sich an ihn. »Es kribbelt mich überall, ich kann es kaum mehr erwarten. Bald, bald ist es endlich so weit, dann sind wir bereit, gegen die Crain zu marschieren. Die Heere sind aufgestellt. Nur noch ein paar Rituale …«
»Es wird ein harter Kampf«, murmelte er. »Ich hoffe, wir sind bereit dazu. Noch ist nicht alles dort, wo es sein sollte …«
»Was ist mit dir? So kenne ich dich nicht. Seit deiner Rückkehr bist du … verändert.«
»Meine Zeit hier nähert sich dem Ende, Gebieterin.«
»Du redest Unsinn. Wir haben die Kraftkammer, damit benötigen wir nicht einmal mehr Seelen! Zumindest noch nicht.«
Der Mann ohne Schatten schwieg. Seine Präsenz füllte den Balkon mit Finsternis, doch er strahlte weniger Kälte als sonst aus. Er wirkte nicht schwach oder müde, sondern … abwesend. Als ob er auf etwas Bestimmtes
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