Schatten Blut
Ich rannte auf die Eingangstür zu und drückte mich dort ganz flach gegen die Wand. Keine Sekunde zu früh. Die Tür flog ganz auf und zwei Männer traten ein. Ich hielt die Luft an.
»… auch nicht erklären, was der wieder hat«, meinte der Kleinere von beiden. »Der benimmt sich in der letzten Zeit ohnehin sehr merkwürdig.«
»Vielleicht hat ihm jemand sein Spielzeug gestohlen«, sagte der Andere und lachte bösartig.
»Du meinst, an der Braut nascht gerade ein Anderer.«
Beide lachten hämisch. Zähneknirschend unterdrückte ich den drängenden Impuls, das vorhandene Vakuum dieser beiden Hohlschädel durch Zusammenschlagen ihrer Köpfe zu überprüfen. Stattdessen schlüpfte ich durch die geöffnete Tür ins Freie.
Die breite Vortreppe kam ich noch hinunter und mein Fuß berührte auch schon den Kiesweg, da wurde ich abrupt zurückgerissen. Bevor ich schreien konnte, wurde eine Hand fest auf meinen Mund gepresst. Ein zweiter Arm umschlang meine Taille, ich wurde hochgehoben und kurzerhand fortgeschleppt. Mein wütendes Strampeln und Schlagen nützte wenig, ich erwischte meist die Luft.
»Halt endlich still, Faye McNamara.« zischte es dicht an meinem Ohr. »Wenn du so weitermachst, haben wir gleich die ganze Meute auf dem Hals.«
Die Stimme kannte ich! Hatte sie schon einmal gehört, während dieser Vision bei Ernestine! Schlagartig wurde ich steif wie ein Brett.
»Braves Kind!« Als wäre ich ein Leichtgewicht, zog mich der Sprecher tiefer in den Schatten der Treppe. Zwischen Wand und Treppe lockerte er ein wenig seinen Griff, doch die Hand blieb weiter auf meinem Mund liegen. Ich überlegte ernsthaft, ihm in die Hand zu beißen, als abermals ein leises Zischen erklang: »Ich wage ernsthaft zu bezweifeln, dass dir das gut tun würde.«
Ich schnaufte grimmig. Konnte er Gedanken lesen? Die Antwort kam prompt und dröhnte in meinem Kopf. Ja. Du ahnst nicht einmal, was ich noch alles kann! Kann ich dich loslassen, ohne dass du weiter Unfug anstellst?
Hielt er mich für einen ausgemachten Schwachkopf? Ich hatte durchaus die vier anderen Vampire auf dem Kiesweg in Richtung Haus kommen sehen. Zähneknirschend musste ich zugeben, dass ich denen ohne sein Eingreifen prompt in die Arme gelaufen wäre. Daher nickte ich kleinlaut.
Die Schritte der Ankommenden wurden lauter. Ich hörte sie die Treppe hinaufgehen, kurz danach klappte die Tür zu. Erleichtert schloss ich die Augen und entspannte etwas.
In dem Moment verschwand die Hand von meinem Mund. Der Arm um meine Taille blieb, nur sein Griff wurde lockerer. Ich versuchte mich umzudrehen. Er vereitelte es, indem die andere Hand nun auf meiner Schulter landete. Und das machte mich wütend.
Wenn du mich beißt, haue ich dir eine rein! dachte ich mutiger als ich mich wirklich fühlte. Ich spürte sein Lachen mehr als ich es hörte. Anscheinend fand er das witzig. Spielten Vampire mit ihren Opfern vorher genau so wie Katzen mit Mäusen?
Die Hand auf meiner Schulter wurde plötzlich dermaßen schwer, dass ich beinahe in die Knie ging. Kaum unterdrückter Zorn schwang in seinen Worten mit und ließ mich innerlich vor Angst erzittern. Ich spiele niemals, Faye McNamara! Das solltest du dir ein für alle Mal merken! Das Dröhnen in meinem Kopf ebbte leicht ab, als er verbal hinzufügte: »Du solltest tunlichst darauf achten, wohin du dich begibst. Du hast hier nichts zu suchen.«
Wieder gewann mein Stolz die Oberhand über meine Angst. Niemand behandelte mich wie ein Kind! Außerdem war das hier gerade mein Traum und da war ich der Regisseur! Es war doch nur ein Traum, oder?
Erbost trat ich ihm mit dem Hacken kräftig auf den Fuß. Der Laut der Überraschung war wie Musik. Doch bevor ich mich umdrehen konnte, lag seine Hand schon in meinem Nacken und drückte mich nieder. Vor Schmerz keuchte ich leise auf.
»Lektion Zwei, Faye McNamara: Es wäre mir ein Leichtes, mit einer einzigen Handbewegung deinen schmalen Hals zu brechen. Also fordere mich niemals wieder heraus.«
»Okay, okay, ich habe verstanden.« Friedfertiger wedelte ich mit den Händen. »Lass mich bitte einfach nur los, das tut nämlich gerade ziemlich weh.«
Erfreulicherweise kam er meiner Bitte nach. Verblüfft darüber verharrte ich weiter in der kauernden Haltung. Wieso hatte er mich plötzlich losgelassen?
»Weil du mich darum gebeten hast.« fuhr er mich an, als sei ich schwachsinnig. War ich wohl auch gerade etwas, denn er fügte leicht genervt hinzu: »Warum erbittet ihr Frauen immer
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