Schatten Blut
können uns doch nicht ewig verstecken! Was ist danach.« fragend sah ich Ernestine an und senkte dann betrübt den Kopf. »Ich weiß nicht mehr weiter, Ernestine. Eigentlich weiß ich gar nichts mehr.«
»Ach, Kindchen.« Sie tätschelte aufmunternd meine Hand. »Nun mal nicht den Kopf hängen lassen. Wir werden schon eine Lösung finden. Zunächst einmal geht es Julie wieder besser, und das ist die Hauptsache. Es hat ihr sichtlich Freude gemacht mit Jacko durch den Park zu laufen. Wo ist er überhaupt? Jacko?« Sie stand auf und lief in den Flur. »Jacko, Schätzchen, wo bist du.«
Kurz darauf hörte ich sie leise lachen. Als sie mir gegenüber wieder Platz nahm, lächelte sie vergnügt. »Ob du es nun glaubst oder nicht, er liegt bei deiner Schwester mit im Bett. Unten an ihren Füßen hat er sich zusammengerollt.«
Für einen Moment musste ich schmunzeln, doch reichte es nicht aus, um meine trüben Gedanken zu vertreiben. Am liebsten hätte ich mit Julie das Appartement sofort verlassen. Nur war das leider gerade etwas problematisch.
»Nun«, meinte Ernestine lächelnd. »Wenn du keine Möglichkeit zum Entkommen hast, dann geh näher ran. Denn unter ihresgleichen suchen sie zuletzt.«
»Sei nah an deinen Freunden, aber noch näher an deinen Feinden.« holte ich ein altes Sprichwort hervor und schaute Ernestine verblüfft an. »Keine dumme Idee. Nur wie sollen wir das machen.«
»Deine Visionen und Träume, Kindchen. Es wird Zeit, dass du sie dir zunutze machst.«
- Kapitel Elf -
Z eit ist schon etwas Merkwürdiges. Fiebert man einer Sache entgegen, kriecht sie im Schneckentempo dahin. Hat man aber etwas zu erledigen, rast sie davon. So auch in diesem Fall.
Bis spät in die Nacht saß ich vor dem Laptop und versuchte im Internet weitere Informationen über das Abwehren von Vampiren zu finden. Dabei stieß ich unter anderem auf den Hinweis, dass es sehr alten Wesen dieser Gattung durchaus möglich war, Sonnenlicht gegenüber auf eine gewisse Weise resistent zu werden. Es war nicht gerade das, was zu meiner Beruhigung beitrug. Irgendwann klappte ich leicht gereizt den Laptop zu. Bis auf das Erwähnte hatte ich keinerlei neue Erkenntnisse gewonnen.
Das Notebook auf den Boden stellend, fiel mein Blick auf etwas Weißes, das langsame Kreise ziehend gegen Boden schwebte. Da war doch was?!
»Das ist natürlich auch eine Art, dich mir zurück ins Gedächtnis zu rufen«, meinte ich und hob die Feder auf. Eigentlich hätte ich mich darüber wundern müssen, dass sie unter meinem Notebook und nicht unter dem Kopfkissen gelegen hatte, wo ich sie die Nacht zuvor deponiert hatte. So allmählich jedoch wunderte mich nichts mehr.
Wie erwartet lag die Schwarze weiterhin unter dem Kopfkissen. Ich holte sie hervor, schob den Couchtisch beiseite und ließ mich im Schneidersitz mitten im Zimmer auf dem dunkelblauen, runden Teppich nieder. Wie ich es einst beim Yoga gelernt hatte, begab ich mich in eine innere Ruhe. Die beiden Federn lagen vor mir auf einem Kissen. Na, dann zeigt mir doch mal, wozu ihr da seid!
Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber dass überhaupt nichts geschah, war doch etwas demotivierend. Also nahm ich sie in die Hand und fixierte sie. Minutenlang. Wieder nichts. Ich schnaufte entnervt. Machte ich etwas falsch?
Mach dir deine Visionen zunutze! Sehr witzig! Wie denn? Sollte ich mich ins Bett legen und warten, dass ich im Traum wieder in einer Horrorgeschichte landete? Vielleicht war dann kein Darian Knight zur Stelle, um mich aus der Bredouille zu holen.
Es geschah vollkommen unerwartet und ging rasend schnell. Vor Schreck ließ ich die Federn fallen. Wie aus heiterem Himmel schien ich durch eine Röhre gezogen zu werden. Lichter schossen an mir vorbei. Ich versuchte mich an irgendetwas festzuhalten, doch meine Hände griffen ins Leere. Am Ende der Röhre sah ich einen Lichtschein, dann prallte ich schwungvoll gegen etwas Hartes.
»Was in drei Teufels Namen –«, vernahm ich noch, überschlug mich einmal und landete schließlich mit einem heiseren Ausruf auf dem Boden. »A utsch! Verdammt.«
Leicht benommen sah ich hoch. Vor mir erblickte ich in engen, schwarzen Hosen steckende, muskulöse Beine. Im Hintergrund gewahrte ich Flammen in einem offenen Kamin. Wenn ich die langen Beine auch nicht klar zuordnen konnte, geschweige denn überhaupt eine Ahnung hatte, wo ich war, die Stimme war mir durchaus bekannt.
»Faye McNamara! Was hast du hier zu suchen.«
Ich konnte nur verlegen grinsen.
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