Schatten der Angst (German Edition)
Fragen später war sie sich da nicht mehr so sicher. Sie fühlte sich wie ein Tennisball, der wieder und wieder über das Netz geschlagen wurde, sie wusste nie, woher der nächste Schlag kommen und wohin er sie tragen würde. Sie beantwortete die meisten ihrer Fragen, doch jedes Mal, wenn sie anfingen, detaillierte Fragen zu dem Überfall selbst zu stellen, lenkte sie das Gespräch wieder auf sicheres Territorium. Obwohl sie sah, dass die beiden Männer frustriert waren, konnte sie sich nicht dazu überwinden, ein weiteres Mal über jene intimen Einzelheiten zu sprechen. Jedes Mal, wenn sie es versuchte, war ihre Kehle wie zugeschnürt.
Schließlich schob Pierce seinen Stuhl zurück und stand auf. »Vielen Dank, dass Sie unsere Fragen so geduldig beantwortet haben, Ms Stockton. Sie sind uns eine große Hilfe gewesen.«
»Wirklich?« Sie hatte nicht das Gefühl, ihnen etwas Neues erzählt zu haben.
»Durch Sie sind die Lücken in dem Bericht, den ich gelesen habe, gefüllt worden. Falls Sie wiederkommen möchten, um weitere Fragen zu beantworten, sind Sie mehr als willkommen. Ich würde gern noch einmal mit Ihnen reden – wenn Sie so weit sind.«
Was heißen sollte, wenn sie über das sprechen wollte, was der Angreifer ihr angetan hatte, statt nur über die Begleitumstände zu reden. Er ging aus dem Zimmer und ließ die Tür offen stehen.
»Das haben Sie großartig gemacht«, sagte Logan.
Sie ignorierte das wohlige Gefühl, das sein Lob bei ihr auslöste, weil sie wusste, dass er nur höflich war. Nichts von dem, was sie ihnen erzählt hatte, war ihr neu oder bedeutsam erschienen, so sehr sie sich auch bemüht hatte, an jedes geringfügige Detail zu denken. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht die Fragen beantwortet habe, die Sie mir eigentlich stellen wollten. Ich wollte es wirklich. Ich habe es ehrlich versucht, aber …« Sie sprach nicht weiter und blickte zu ihm auf, frustriert darüber, dass sie es nicht schaffte, sich ihren Ängsten zu stellen.
»Sie haben unglaublich viel Mut bewiesen, indem Sie aufs Revier gekommen sind und sich unseren aufdringlichen Fragen gestellt haben.«
Mut? Sie konnte ihm nicht zustimmen, aber es fühlte sich gut an, mit jemandem zu sprechen, der sich etwas aus ihr machte. Bis sie ihn getroffen hatte, war ihr nicht klar gewesen, wie sehr sie den Kontakt zu anderen Menschen vermisste und wie sehr sie unter diesem Mangel litt. Abgesehen von ihren Besuchen auf dem Postamt und ihren gelegentlichen Einkaufstouren, zu denen sie gezwungen war, wenn sie sich etwas dringend Benötigtes nicht nach Hause liefern lassen konnte, war sie immer allein.
»Warum runzeln Sie die Stirn? Sie haben die Inquisition überstanden«, sagte er scherzhaft.
»Das habe ich gar nicht gemerkt, ich habe nur nachgedacht.« Sie hatte darüber nachgedacht, dass sie sich, wenn sie wieder zu Hause war, immer noch genauso schuldig fühlen würde wie in diesem Moment, da sie bei der Ermittlung nicht wirklich hatte weiterhelfen können.
Sie hatte nicht den Mut gehabt, Dana in dem Moment beizustehen, in dem sie ihrer Hilfe am meisten bedurft hatte, aber vielleicht gab es ja etwas anderes, was sie tun konnte, um Danas Killer zu schnappen. »Ich würde Ihnen wirklich gerne helfen.«
Logan zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Sie möchten bei den Ermittlungen helfen?«
»Auf jeden Fall. Ich kann gut mit Computern umgehen. Gibt es in dem Bereich vielleicht etwas, bei dem Sie Hilfe gebrauchen können? Ich könnte zum Beispiel die Fallakten für eine Datenbank katalogisieren und mit einem Index versehen. Oder einen Algorithmus entwickeln, der Vernehmungsprotokolle systematisch auf Gemeinsamkeiten überprüft, nach Mustern sucht, solche Dinge.«
»Das könnten Sie tun?«, rief Pierce von der Tür aus. Er warf Logan einen Blick zu. »Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche, ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass Riley eine neue Spur hat: ein Freund von Carolyn, der sich möglicherweise an einen verdächtigen Mann erinnert, der sich vor Carolyns Entführung ein paar Wochen in ihrer Nähe herumgetrieben hat.«
»Jemand aus der Gegend?«
»Nein, jemand von der Florida State University. Riley hat Clayton mitgenommen, sie sind schon auf dem Weg nach Tallahassee. Morgen früh müssten sie zurück sein.«
»Das klingt vielversprechend.« Logan drehte sich wieder zu Amanda, er sah nachdenklich aus. »Die meisten Daten sind bereits in die Datenbank eingespeist worden, aber dieser Algorithmus, den Sie erwähnt haben,
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