Schatten der Angst (German Edition)
Fotografien sichtbar. Auf einer war sie selbst zu sehen: Blutverschmiert und zusammengekrümmt lag sie in dem unglaublich engen, verrotteten Baumstamm, an den sie sich lebhaft erinnern konnte.
Beinahe roch sie das feuchte, modrige Holz, spürte, wie die Insekten über ihre Haut krochen, in ihr Haar; sie spürte erneut die lähmende Angst, wenn nahebei ein Ast knackte und sie fürchtete, der Mörder könnte sie entdeckt haben.
Vor ihren Augen begann alles zu verschwimmen. Sie atmete in kurzen, flachen Stößen. Ihr Puls hämmerte so laut, dass er alle anderen Geräusche auslöschte. Wie hatte sie nur glauben können, dass sie diesen Albtraum noch einmal durchleben konnte? Sie war noch nicht bereit. Sie musste hier weg. Sofort.
Sie drehte sich auf dem Absatz herum und rannte quer durch die Zentrale, und obwohl ihr Haar hinter ihr herflatterte und ihr Gesicht nicht mehr verdeckte, kümmerte es sie nicht mehr, ob man ihre Narbe sehen konnte. Schlitternd kam sie vor dem Fahrstuhl zum Stehen und drückte auf den Fahrstuhlknopf.
Langsam, viel zu langsam. Ich bekomme keine Luft .
Wieder drückte sie auf den Knopf, ihr Blick jagte gehetzt umher. Auf einer Tür zu ihrer Linken gab es ein rotes Schild mit der Aufschrift »Treppe«. Sie stürzte zur Tür und kam mit ihren hohen Absätzen auf dem glatten Steinfußboden ins Rutschen.
»Amanda, warten Sie.« Kräftige Hände packten sie an den Schultern und zogen sie zurück.
»Nein, lassen Sie mich los.« Sie holte mit dem Absatz aus und traf den Angreifer am Schienbein. Ein Schmerzenslaut war zu hören. Ein muskulöser Arm schlang sich um ihre Taille und zog sie zurück, sodass sie gegen eine breite Brust gedrückt wurde.
»Amanda, ich bin’s, Logan«, flüsterte ihr eine Stimme ins Ohr. »Niemand wird Ihnen etwas tun.«
Logan. Es war Logan. Die Panik strömte aus ihr heraus, sie sank gegen ihn und inhalierte seinen tröstenden, vertrauten Geruch, während ihre malträtierten Lungen nach Luft rangen.
Er drehte sie zu sich herum und presste ihren Kopf sanft gegen seine Brust, wobei er ihr beruhigende Worte zuflüsterte. Sie kniff die Augen fest zusammen, schmiegte sich an ihn und genoss das Gefühl, von starken Armen gehalten zu werden. Sie war in Sicherheit. Bei Logan war sie in Sicherheit. Die dunklen Schatten zogen sich langsam zurück. Die Geräusche kehrten zurück. Telefone, die klingelten. Raschelnde Papiere.
»Alle Mann zurück an ihren Schreibtisch«, rief Detective Riley laut. »Hier gibt es nichts zu sehen.«
Amanda riss die Augen auf. Sie keuchte und schrak zurück vor der Gruppe aus Detectives und uniformierten Polizisten, die sie aus wenigen Metern Entfernung anstarrten. Logans Arme schlossen sich noch fester um sie.
Der junge Polizist, der sie zum Konferenzraum geführt hatte, starrte sie aus weit aufgerissenen Augen an, seine Sommersprossen bildeten einen scharfen Kontrast zu seinem blassen Gesicht. Riley gab ihm einen Stoß, damit er sich in Bewegung setzte, und scheuchte die anderen Männer zurück an ihre Schreibtische.
Amanda schloss erneut die Augen, die Hitze stieg ihr in die Wangen. »Bitte, könnten Sie mich hier wegbringen?«, flüsterte sie unglücklich.
»Möchten Sie, dass ich Sie trage?«
Sie tragen? Er klang, als wäre es ihm ernst, als hätte er tatsächlich vor, sie vor dem gesamten Department auf den Armen davonzutragen. Sie errötete noch mehr, während sie sich aus seiner Umarmung befreite und einen Schritt nach hinten machte. »Wagen Sie es ja nicht. Das alles ist auch so schon peinlich genug.«
Er legte ihr den Finger unter das Kinn, hob es an und beugte sich vor, wobei er die Augenbrauen zu einer harten Linie zusammenzog. »Sie sind durch die Hölle gegangen und haben mehr ertragen, als sich die meisten Leute überhaupt vorstellen können. Sie schulden niemandem eine Erklärung – und Sie haben ganz sicher keinen Grund, sich zu schämen.«
Bei seinen Anteil nehmenden Worten schnürte sich ihr die Kehle zu. Es war so lange her, dass sich jemand Sorgen um sie gemacht hatte. Sie schenkte ihm ein mattes Lächeln, welches jedoch erlosch, als sie den Mann im dunklen Anzug bemerkte, der nur wenige Meter entfernt stand und sie und den Polizeichef musterte. Instinktiv drängte sie sich Schutz suchend an Logan.
Logan drückte beruhigend ihre Schulter. »Das hier ist Sonderermittler Pierce Buchanan«, sagte er. »Er ist der FBI-Agent, von dem ich Ihnen erzählt habe.«
Pierce, der Logan verblüffend ähnlich sah, streckte die Hand
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