Schatten der Angst (German Edition)
»Vielleicht muss ich sie ja doch nicht entlassen.«
Es war einfach nicht richtig, dass Amanda ständig in Angst leben musste, dass sie sich fürchtete, das Haus zu verlassen, weil der Killer sie möglicherweise aufspüren könnte. Das war kein Leben. Logan hatte bewusst ein abgelegenes Restaurant ausgewählt, da er gehofft hatte, ihr auf diese Weise etwas von ihrer Anspannung nehmen zu können. Doch Amanda wirkte immer noch sehr angespannt und verkrampft.
Beim Studieren der laminierten Speisekarte kaute sie auf ihrer Unterlippe herum. Obwohl sie den anderen Restaurantgästen den Rücken zukehrte und nur Logan ihr Gesicht sehen konnte, hörte sie nicht auf, mit ihrem Haar zu spielen, und strich es immer wieder nach vorn über ihre Narbe, wobei sie ihre Finger als Kamm benutzte.
Er seufzte. »Möchten Sie lieber woanders hingehen?«
Mit großen Augen sah sie ihn fragend an. »Warum denn?«
»Sie sehen nicht so aus, als ob Sie sich besonders wohlfühlten.«
»Ich fühle mich nicht unbehaglicher als sonst auch. Seitdem ich aus Tennessee zurückgekommen bin, habe ich kein Restaurant mehr besucht.«
Verblüfft starrte er auf seine Speisekarte, um ihre Worte zu verdauen. Sie war vor zwei Jahren aus Tennessee zurückgekehrt. War sie seitdem nie in einem Restaurant gewesen? Das musste bedeuten, dass sie auch nicht mit Männern ausgegangen war, da man bei einem ersten Date üblicherweise essen ging. Bedeutete das auch, dass sie keine Freunde hatte? War sie völlig allein, hatte sie niemanden, mit dem sie reden konnte? In der Hoffnung, dass er falsch lag, hakte er weiter nach. »Was unternehmen Sie mit Ihren Freunden, wenn Sie sich amüsieren wollen?«
Sie kaute wieder auf ihrer Unterlippe herum und blätterte durch die Speisekarte, als würde sie sich brennend für die Seniorenrabatte interessieren, die auf der Rückseite aufgelistet waren. »Ich habe ziemlich viel zu tun … mit meiner Arbeit und allem. Ich schaue mir häufig Filme an.«
Zu Hause. Im Fernsehen. Auch wenn sie es nicht laut aussprach, wusste er, wie sie es meinte. Er bemerkte die Anspannung in ihren Schultern, die Art und Weise, wie ihre Fingerknöchel weiß hervortraten, als sie die Speisekarte umklammerte.
Sie hatte keine Freunde. Vermutlich verließ sie das Haus nur, wenn es unbedingt sein musste. Der einzige Grund dafür, dass sie sich dermaßen zurückzog, konnte nur sein, dass sie Angst davor hatte, aus dem Haus zu gehen.
Logan hätte sich am liebsten selbst einen Tritt gegeben. Er war wirklich ein absoluter Volltrottel. Er hatte sie zu etwas gedrängt, das für ihn alltäglich war – aber für sie war es wahrscheinlich wie die Besteigung des Mount Everest. Und das alles wegen seines selbstsüchtigen Bedürfnisses, sowohl an die Informationen heranzukommen, die sie besaß, als auch das Vergnügen ihrer Gesellschaft zu genießen. Sie war eine schöne und faszinierende Frau. Und er mochte sie mehr, als gut für ihn war. Er hatte sich seinen Gefühlen überlassen und war für die ihren blind geworden.
Er musterte ihre Haltung. Verlegen, unbehaglich, aber nicht ängstlich. Vielleicht konnte er den Abend noch retten. Wenn er ihr half, sich zu amüsieren, dann würde sie vielleicht nicht bereuen, ihn auf dem Revier aufgesucht zu haben und mit ihm hier herausgefahren zu sein.
Und er würde sich nicht wie ein Arschloch fühlen.
Amanda stand in der Küche, während Logan sich lässig mit einer Schulter an die Tür lehnte, die hinaus zum Autostellplatz führte.
»Ich habe mich wunderbar amüsiert«, sagte sie. Und wand sich innerlich, als ihr bewusst wurde, wie intim sich das angehört hatte. Sie blickte zu Boden.
»Amanda?«
»Ja?«, fragte sie, immer noch nicht imstande, ihm in die Augen zu schauen.
»Ich habe mich ebenfalls wunderbar amüsiert.«
Sie sah überrascht auf. Er lächelte, und sie konnte nicht umhin, sein Lächeln zu erwidern. Er hob die Hand, als wollte er ihr Gesicht berühren, und sie spürte, wie sie, ohne etwas dagegen tun zu können, erstarrte. Sein Lächeln wurde traurig, und er ließ die Hand sinken.
Etwas erstarb in Amanda, und sie wünschte sich, dass sie ihre unwillkürliche Reaktion hätte zurücknehmen können. Im Revier, nachdem sie diese fürchterlichen Fotos gesehen hatte, hatte er sie auch berührt, er hatte sogar die Arme um sie gelegt. Da war sie nicht zusammengezuckt. Warum dann jetzt?
»Vielen Dank, dass Sie heute aufs Revier gekommen sind«, sagte er, immer noch traurig lächelnd. »Und vielen Dank, dass
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