Schatten Der Erinnerung
Regina im Hause eines Aristokraten in London speisen.
Während des Essens schwieg Slade. Es war freilich ein anderes Schweigen als seinerzeit in Miramar. Er schien so entspannt, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. Und doch war sie davon überzeugt, dass er ihre Nähe als ebenso qualvoll empfand wie sie die seine.
Die Unterhaltung verlief ungezwungen, man trank Bordeaux und Sauvignon Blanc. Beide Weine stammten von den Rothschild-Weingütern in Frankreich. Charles, Xandria und Edward bestritten den größten Teil der Unterhaltung.
Am Ende des Menüs, als sie beim Nachtisch waren, machte Xandria einen Vorschlag: »Vater, wir könnten doch heute abend alle gemeinsam nach dem Essen noch einen Drink zum Abschluss nehmen.«
»Ich habe nichts dagegen.« Charles blickte auf Edward und Slade. »Und Sie, Gentlemen?«
»Ich auch nicht«, erwiderte Edward und musterte Xandria. »Ich bevorzuge Gesellschaft.«
Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln.
»Du ziehst die Gesellschaft von Frauen immer vor«, versetzte Slade trocken, während er entspannt auf seinem Stuhl saß. Reginas Augen weiteten sich, als sie bemerkte, dass er seinen Arm um ihre Stuhllehne gelegt hatte. Sein Ärmel streifte ihren bloßen Nacken.
»Im Gegensatz zu dir«, gab Edward zurück. »Du nimmst es nicht einmal wahr, wenn die schönste aller Frauen den Raum betritt. «
Slade lächelte. »Heute abend ist es mir aufgefallen.«
Reginas Blicke flogen zu ihm hin. Wie die anderen Männer auch, hatte er dem Rotwein reichlich zugesprochen.
Aber er machte nicht im Geringsten einen betrunkenen Eindruck. Und er hatte sie tatsächlich bemerkt als sie hereingekommen war. Ganz offen hatte er sie angestarrt.
»Na ja, wenn du deine eigene Frau nicht beachtest, dann wird es ein anderer tun«, entgegnete Edward spitz, während ihnen Sherry und Port serviert wurden.
Slade blieb gelassen. Er rutschte nur etwas auf dem S zur Seite, so dass Regina unter dem Tisch sein Knie an ihrem Bein spüren konnte. Sie war zu keiner Reaktion fähig. Wie auf ein Stichwort wallte ihr das Blut in d Adern. »Sollte ein anderer Mann es wagen, meine Frau ungebührlich anzusehen, dann würde ihm das mehr als leidtun.
In Gegenwart von Damen bin ich zu höflich, um zu sagen, was ihm dann zustieße.«
Regina wandte sich zu ihm und musterte ihn.
Slade lächelte ihr unmerklich. zu. Sie fand ihn ein wenig großspurig, und doch raubten ihr seine Worte den Atem.
Was ging hier vor? Welche Gefühle arbeiteten in ihm? Was bedeutete sein Benehmen?
Charles unterbrach ihre Gedanken. »Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?« rief er und klopfte mit seinem Löffel gegen das leere Weinglas. Alle Blicke richteten sich auf ihn. In der kurzen, spannungsgeladenen Pause, die folgte, machte sich Regina eine vage Vorstellung von dem, was nun kommen würde.
Charles fasste in seine Brusttasche und zog einen Umschlag hervor. »Zuerst möchte ich einen Toast auf das frisch vermählte Paar ausbringen.«
Regina zuckte zusammen, denn ihre Vermutung hatte sich bewahrheitet. Aus den Augenwinkeln sah sie zu Slade hin. Er betrachtete ihr Gesicht. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er protestiere oder zornig würde. Aber sein Interesse schien sich allein auf sie zu konzentrieren und nicht auf Charles. Und dann fühlte sie verblüfft, wie seine Finger kurz über ihre nackten Schultern streiften.
»Hört, hört«, rief Edward, der aufgestanden war. Xandria erhob sich ebenfalls.
Charles sagte: »Friede, Glück und hoffentlich Liebe mögen mit euch sein.« Er leerte sein Glas.
Edward und Xandria prosteten ihnen zu und tranken aus.
Regina wurde rot und wagte es nicht, ihrem Mann auch nur einen verstohlenen Blick zuzuwerfen. Er hatte seine Hand nicht von ihrer Schulter genommen.
Charles nahm den Umschlag. »Dies ist einer der schönsten Augenblicke meines Lebens«, fuhr er fort, und seine Stimme klang plötzlich rau. »Slade, mein eigener Sohn könnte mir nicht mehr bedeuten. Und Sie, Regina, sind die richtige Frau für Slade. Sie passen besser zu ihm, als Ihnen selbst bewusst ist.« Er schwenkte den Umschlag. »Das ist ein Hochzeitsgeschenk von mir und meiner Tochter.« Mit diesen Worten überreichte er ihn Slade.
Mit einem leichten Lächeln nahm Slade den Umschlag. Er war offensichtlich verwirrt. »Charles, das hättest du nicht tun sollen.« Dann schüttelte er den Umschlag. »Irgendetwas Schweres ist darin.« Er wirkte unsicher. »Ein Silberdollar?«
Charles lachte. »Los, mach ihn auf.«
Slade sah Regina an.
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