Schatten Der Erinnerung
errötete, konnte aber ihre Augen nicht von Slade abwenden. Zu ihrer Verblüffung antwortete er ruhig:
»Er hat recht.«
Welch ein Kompliment. Regina war so gerührt, dass sie beinahe in Tränen ausbrach. Schnell senkte sie den Kopf, damit er nicht sehen konnte, wie stark sie das schlichte Kompliment berührte. Sie war Wachs in seinen Händen. Er konnte sie unsagbar verletzen, jetzt schmeichelte er ihr. Sie fürchtete sich davor, wieder verletzt zu werden, wenn sie das Wagnis einginge, ihre Ehe weiterzuführen. Aber sollte sie ihm nicht noch eine Chance geben? Vielleicht tat sie das ja bereits, indem sie hierhergekommen war.
Sie saßen zum Aperitif im Salon. Obwohl Regina sich mit Charles unterhielt spürte sie Slades Nähe, der sich im Sessel neben ihr niedergelassen hatte. Ungeachtet seines Doppellebens erwartete sie doch, etwas von dem früheren Slade wiederzuentdecken. Heute aber war er überhaupt nicht launisch. Eine Spannung ging von ihm aus, die nicht Ärger bedeutete, sondern nur etwas mit ihr zu tun hatte, wie ihr bewusst war.
»Wie gefällt Ihnen unsere schöne Stadt meine Liebe?«
»Ich habe sie immer gemocht. Von früheren Besuchen bei meinen Verwandten, den D'Archands, kenne ich sie bereits.«
»Ah, ja. Brett und seine Frau sind großartige Menschen. Sagen Sie, kennen Sie San Francisco gut?«
»Eigentlich nicht.«
Charles wandte sich an Slade. »Du bist wohl nicht ganz bei Trost. Vernachlässigst deine wunderschöne Braut und kümmerst dich nur um meine Geschäfte. Das muss sofort geändert werden.«
Zu Reginas Überraschung erwiderte Slade: »Da hast du recht, Charles.«
Charles lächelte. »Zeig ihr die Stadt. Führ sie ins Konservatorium, geh mit ihr zum Essen in die Kearny Street, besuch mit ihr unsere wunderbaren Museen und Kunstgalerien. Zeig ihr Chinatown.« Er lächelte Regina zu.
»Waren Sie schon mal in Chinatown?«
»Nein.«
»Es lohnt sich.«
Regina sah Slade an. Die Idee, von ihm durch die Stadt geführt zu werden, gefiel ihr, obwohl sie die Scheidung wollte. Doch dieser Vorsatz wurde mit jeder Sekunde schwächer.
Sie blickte ihn an, weil sie nicht anders konnte. Der Mann, den sie in Miramar geheiratet hatte, war nur ein Teil von Slade gewesen. Sein Benehmen heute offenbarte das zur Genüge. Kaum vermochte sie die Augen von ihm ab zuwenden. Bei jeder Begegnung, die sie seit ihrer Ankunft in der Stadt hatten, schienen sich die einzelnen Teile des Puzzles, die er vor ihr geheim gehalten hatte, weiter zusammenzufügen. Sie wollte unbedingt mehr über ihn erfahren.
»Was hast du morgen vor?« fragte Slade mit angespanntem Gesichtsausdruck.
Regina vermochte kaum zu antworten. »N-nichts«, stotterte sie. Sein Blick ließ sie erschauern. »Ich meine, ich habe keine besonderen Pläne.«
»Dann werde ich dich um zehn abholen.«
Eigentlich sollte sie nein sagen, sollte sofort aufsteh und das Haus verlassen. Mit Slade zusammen zu sein war so gefährlich wie immer. Aber er zog sie an und faszinierte sie wie bei ihrer ersten Begegnung. Er ließ sie alles vergessen, auch den tiefen Schmerz, den er ihr zugefügt hatte. Regina folgte ihrem Herzen und betete darum, es später nicht bereuen zu müssen. »Ich werde bereit sein.«
Slades Augen funkelten vor einer Erregung, die Regina nicht näher zu bestimmen wagte. Sie hoffte, dass es mehr war als Triumph.
Charles klatschte zustimmend in die Hände. »Sehr gut! Und dich, Slade, will ich für den Rest der Woche nicht im Büro sehen!«
Charles bat Regina, als Ehrengast rechts neben ihm zu sitzen. Er strahlte und freute sich sichtlich, bei der kleinen Versammlung aus Freunden und Familie zu präsidieren. Slade nahm zwanglos an ihrer anderen Seite Platz.
Gegenüber saß Xandria, die hinreißend aussah in einem ziemlich gewagten Kleid mit tiefem Dekollete. Es war blutrot und ganz gerade geschnitten. Den Platz neben ihr hatte Edward, attraktiv wie immer und überaus flott in einem weißen Dinnerjacket mit schwarzer Fliege.
Das Menü war großartig. Es bestand aus acht Gängen und war von Manns französischem Koch, der früher in Paris gearbeitet hatte, zubereitet worden. An der Bedienung gab es ebenso wenig auszusetzen wie an der Tischdekoration. Er war mit weißem belgischem Leinen, französischem Kristall und Waterford-Porzellan gedeckt.
Als Tafelaufsatz diente eine exotische tropische Blüte, die Regina an orange-purpurne Vögel erinnerte. Xandria klärte sie auf, dass Tropenmotive zurzeit der letzte Schrei seien. Es war, als würde
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