Schatten Der Erinnerung
An der aufkommenden Erregung in ihrem Herzen allerdings war nichts Vernünftiges.
Regina nickte stumm und nahm damit Xandrias Einladung an.
Kapitel 21
Es war fünf Minuten nach sieben. Slade versuchte, gleichgültig dreinzublicken, als er einen verstohlenen Blick auf die Tiffany-Uhr aus achtzehnkarätigem Gold in einem Gehäuse aus weißem Marmor warf. Er stand mit dem Rücken zur Mitte des geräumigen Salons und schenkte sich einen Bourbon ein. Xandria, Charles und Edward warteten sitzend auf den letzten Gast.
Edward und Charles diskutierten über einen der Reformvorschläge von Bürgermeister Phelan, die darauf abzielten, die Korruption in der Stadtverwaltung wenigstens teilweise zu reduzieren. Xandria war ungewöhnlich ruhig. Slade schlenderte zu einem der hohen Flügelfenster und zog den schweren, smaragdgrünen Vorhang zur Seite. Das Gespräch drang nur undeutlich zu ihm. Mit der Flut war der Nachmittagsnebel aufgestiegen. Wie immer war es kein dichter Nebel, so dass er die ruhige Straße unten gut überblicken konnte. Noch war es hell draußen. Um acht Uhr aber, nach Sonnenuntergang, würde die Stadt in die malvenfarbigen Schatten der Dämmerung eingehüllt sein.
Sie hatte sich verspätet und er bezweifelte, ob sie überhaupt kommen würde.
Xandria hatte heute Nachmittag in seinem Büro vorbeigesehen, um ihn zum Abendessen einzuladen - und ihm mitzuteilen, dass seine Frau ebenfalls kommen werde. Slade hatte mit ungläubiger Erregung und Besorgnis reagiert.
Gestern hatte er spontan beschlossen, sich nicht scheiden zu lassen. Seither hatte er genügend Zeit gehabt, um sich über die unzähligen Möglichkeiten Gedanken zu machen, die ihnen eine Ehe bot. Er war hin- und hergerissen zwischen unbeschreiblichen, unmöglichen Träumen und kalter, grausamer Wirklichkeit.
Längst war das Gefühl verschwunden, durch ihre Täuschung verraten worden zu sein. Sie hatte ihn ja nicht verraten. Nur aus Furcht die echte Elizabeth Sinclair würde ihn heiraten, wenn sie die Wahrheit enthüllte, hatte sie ihn hinters Licht geführt. Nur weil sie ihm so zugetan war, hatte sie ihre Identität verschwiegen und ihn geheiratet.
Wie leicht könnte er vergeben!
Aber ihre Gefühle gehörten der Vergangenheit an. jetzt war sie wütend und bestand hartnäckig auf einer Scheidung.
Offenbar glaubte sie ihm nicht, dass er sie niemals so grausam verlassen hätte, wenn er die Wahrheit gekannt hätte.
Um sie davon zu überzeugen, gäbe er gerne ein Dutzend Jahre - das wäre ihm kein zu hoher Preis für ihre gemeinsame Zukunft. Ein Gedanke ließ ihm keine Ruhe: Da sie ihn einmal gemocht hatte, könnte sie ihn vielleicht wieder mögen. Er war schon immer dickköpfig und entschlussfreudig gewesen, eine Charaktereigenschaft der Delanzas. Ob er nun an die Grenzen seiner Geduld gelangen müsste? Für Regina, so glaubte er, würde sie ein ganzes Leben lang dauern.
Doch die Umstände hatten sich geändert, und er machte sich nicht einen Augenblick lang etwas vor. Seine Frau war nicht mehr eine von Amnesie geplagte Elizabeth Sinclair, und James stand nicht mehr zwischen ihnen. Dafür gab es jetzt noch größere Hindernisse für sie, denn Regina war eine britische Aristokratin und eine Erbin der Familie Bragg. Auch unter den günstigsten Umständen passten sie nicht zueinander, geschweige denn unter den ungünstigsten. Selbst wenn er eine Aussöhnung zustande brächte, was sollte dann geschehen? Bereits ein paar Tage nach ihrer Hochzeit hatte sie die Scheidung verlangt. Und falls sie ihn doch wieder liebgewänne - wie lange würde das anhalten? Ein Jahr? Zwei oder gar fünf Jahre? Könnte denn eine Adlige der Oberschicht wie sie mit dem Leben, das er ihr zu bieten hatte, zufrieden und mit ihm glücklich sein?
Er hatte Angst. Die Aussichten waren ermunternd und schrecklich zugleich. Was würde die Zukunft bringen?
Glück oder Kummer?
Offenbar musste er das herausfinden. Obwohl es viel einfacher wäre diese verdammten Scheidungspapiere zu unterschreiben, wollte er es nicht tun, denn er brachte es nicht über sich, ihre Beziehung unwiderruflich zu beenden. Er würde sie weder von sich stoßen noch selbst gehen. Vielleicht war er jetzt der Dummkopf. Aber es war ohnehin zu spät. Die Würfel waren gefallen.
Plötzlich sah er eine von zwei prächtigen Grauschimmeln gezogene Luxuskutsche die California Street entlangkommen. Sein Herz machte einen Sprung. Seltsamerweise war er aufgeregt.
So beiläufig wie möglich wandte er sich vom Fenster ab und
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