Schatten Der Erinnerung
kamen, erblickte sie einen großen alten Tisch auf Böcken sowie ein Dutzend schwere Stühle, die mit abgenutztem braunem Leder bezogen und mit Ziernägeln beschlagen waren. Ein riesiger Wandteppich hing an einer Seite. Er war weitgehend verblichen und ausbesserungsbedürftig. Zweifellos war alles spanischen Ursprungs und datierte, wie Regina vermutete, in die Zeit der ursprünglichen Landübertragung oder sogar noch früher.
»Haben die ersten Delanzas die Möbel mitgebracht?« fragte sie neugierig. »Es ist alles so ungewöhnlich, aber sehr schön.« Dabei- kam ihr zu Bewusstsein, dass sie an Marmorböden und vergoldeten Deckenstuck, Schmiedeeisen und bunte Gläser, an Elektrizität und Telefone gewöhnt war - nicht an Steinfliesen, weiß getünchten Stuck, Gasöfen und altes dunkles Holz.
»Natürlich.« Victorias Antwort war kühl und beinahe verächtlich. Sie hatten das Haus verlassen und betraten nun den Hof dahinter. Dieser war kleiner als der vor dem Haus. Auch hier versprühte in der Mitte ein Brunnen kühles, verlockendes Wasser. Es gab ebenfalls viele schattenspendende Bäume, blühendes Buschwerk und Blumen im Überfluss. Schnell überquerten sie den Hof und kamen dabei am Brunnen vorbei. Die Luft in seiner Umgebung war kühl und feucht, versetzt mit kleinen Wassertropfen.
»Da sind wir«, Victoria betrat einen Raum, der direkt vom Hof ausging. Behände durchquerte sie ihn, um die Türen auf der anderen Seite zu öffnen. Regina bot sich zur Begrüßung ein atemberaubender Blick auf einen sommergelben Hügel, der jäh zum schimmernden grauen Ozean abfiel.
»Was für eine wundervolle Aussicht.«
Victoria wandte sich um und lächelte. Aber es war ein kaltes Lächeln.
Reginas eigenes Lächeln erstarb. Sie zog ihre Handschuhe aus, und ihr Herz klopfte unbehaglich. Behutsam nahm sie ihren Hut ab. Bei einem Blick auf die andere Frau bemerkte sie, dass diese ihre Perlen musterte.
»Wie schön«, stellte Victoria ohne jegliche Wärme fest.
»Danke.«
»Ich werde Lucinda veranlassen, Ihnen Limonade zu bringen. Dies hier ist der Gästeflügel, und da Sie der einzige Gast sind, haben Sie ihn ganz für sich allein.« Irgendwie klangen ihre Worte nicht besonders freundlich- Ganz im Gegenteil.
»Sie werden sich vor dem Abendessen frisch machen wollen«, fuhr Victoria fort. »Lucinda soll Ihnen ein Bad einlaufen lassen. Wir essen um sieben.«
»Einer der wenigen Brüche mit der Tradition, die Rick zugelassen hat«, bemerkte Slade von der Tür aus, zwei ihrer Gepäckstücke in der Hand.
Regina war froh, ihn zu sehen. Edwards Mutter war nicht gerade unangenehm, aber verwirrend. Sie war sich sicher, dass diese Frau sie verachtete. Doch hatte sie nicht die geringste Ahnung aus welchem Grund.
Slade kam herein und stellte ihre Koffer auf dem Boden ab. »Da Rick bereits in aller Frühe auf den Beinen ist kommt ein traditionelles Essen um zehn oder elf am Abend nicht in Frage.«
»Ich verstehe«, erwiderte Regina.
Ohne ein weiteres Wort drehte sich Slade um und verließ das Zimmer. Regina blickte ihm nach und wünschte, er wäre geblieben. Der Gedanke, mit Victoria länger als notwendig allein sein zu müssen, behagte ihr nicht sonderlich.
Genau in diesem Augenblick ging Victoria schnell durch den Raum, zog die Türen, die auf den Hof gingen, zu und schloss sie beide ein. Regina starrte sie an.
»Sagen Sie mir eines«, forderte Victoria sie unfreundlich auf, »ist das eine List?«
»Wie bitte?«
»Ist das eine List? Eine Farce? Dieser Gedächtnisverlust von Ihnen?«
»Nein, natürlich nicht! Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mich erinnern zu können!«
»Ach so.« Victoria ging langsam zum Bett und befühlte die in leuchtenden Farben gehaltene Baumwollüberdecke.
»Warum sind Sie dann hergekommen - Elizabeth?«
»Ich ... Rick hat mich eingeladen. Er meinte, ich wäre willkommen, als gehörte ich zur Familie.«
Victoria lachte unfroh auf.
Regina wurde sich bewusst, dass sie mit dem Rücken an der schweren Holztür stand. »Was soll das bedeuten?«
»Wissen Sie nicht, was er mit Ihnen vorhat? Ist Ihnen nicht klar, warum er Sie eingeladen hat? Können Sie sich das nicht vorstellen?«
»Nein.« Regina war bestürzt über diese versteckten Andeutungen und auch darüber, dass Rick vielleicht ein anderes Motiv hatte, als er vorgab.
»Hat Slade Ihnen nichts erzählt oder angedeutet?« fragte Victoria.
»Was angedeutet? Was soll er mir erzählt haben?«
»Rick möchte, dass Sie Slade heiraten.«
»Wie
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