Schatten Der Erinnerung
gute Reiterin war. Aber sie würde es schaffen, denn sie hatte keine andere Wahl.
Sie sah niemanden, während sie über das Gelände zu den Ställen lief. Ein kurzer Blick in die Scheune zeigte ihr, dass erstaunlicherweise nicht einmal ein Stallbursche darin war. Besser konnte es gar nicht gehen, und sie lief hinein. Im Inneren war es dunkel, aber sie wagte nicht, Licht zu machen. Dann fand sie den Raum mit dem Sattelzeug und schleppte einen Sattel und Zaumzeug heraus. Sie war sich ganz sicher, noch nie ein Pferd gesattelt zu haben.
Regina wählte das Tier mit dem sanftesten Blick im Stall. Obwohl das Pferd sie gar nicht wahrzunehmen schien, brauchte sie sehr lange, bis sie es schaffte, den Sattel auf seinen Rücken zu bekommen und zu befestigen, und noch länger, um dem Pferd das Zaumzeug umzulegen. jetzt sah der braune Wallach zu ihr hin, machte aber keine Bewegung. Regina sprach ihm mit hoher, nervöser Stimme gut zu. Wenige Augenblicke später führte sie das ruhige Pferd aus dem Stall.
Erleichterung erfüllte sie, denn das Schlimmste war geschafft. Sie zog die Scheunentür auf und vergewisserte sich, dass niemand da war. Über ihr auf dem Hang lag das Ziegelsteinhaus, das einen verlassenen und leblosen Eindruck machte.
Sie versuchte ruhig zu bleiben, führte ihr Pferd zu einem Ballen Heu und stieg darauf, wobei sie die Röcke schürzte, um Bewegungsfreiheit zu haben. Sie glitt in den Sattel, ohne zu beachten, dass es schwierig war und dazu den Anstandsregeln völlig widersprach, im Herrensitz zu reiten. Als der Braune sich schüttelte, packte sie den Sattelknopf. Sie befahl sich, nicht den Kopf zu verlieren, und fand die Zügel, die sie auf die richtige Länge kürzte.
Obwohl sie sicher keine erfahrene Reiterin war, hatte sie offensichtlich Reitunterricht gehabt.
Während sie aus der Scheune ritt, brauste der Wind um sie. Fast wurde sie abgeworfen, als das Pferd plötzlich einen Satz machte. Regina klammerte sich gleichzeitig an den Zügeln und an seinem Hals fest. Das Pferd tänzelte ein wenig. »Bitte nicht jetzt Junge!« schrie sie und blickte verzweifelt um sich. Kein Mensch war zu sehen. Fest entschlossen, zur Straße zu gelangen, um so schnell wie möglich weg von dem Haus zu kommen, trieb sie den Braunen mit ihren Absätzen an. Er reagierte sofort und fiel in einen Trab, der ihr durch Mark und Bein ging. In Todesangst klammerte sich Regina fest und schwankte unkontrolliert hin und her.
Da riss ihr ein Windstoß den Strohhut vom Kopf. Sie sah noch, wie er über ihr davon wehte. Sie packte den Sattelknopf und die Zügel, und ihre Röcke bauschten sich um ihre Schenkel. Wieder einmal Pech gehabt. Ein Sturm kam auf, und sie spielte mit dem Gedanken an Rückkehr.
Wieder sah sie Slades dunkles Gesicht vor sich, seine intensiven mitternachtsblauen Augen. Ihre Entschlossenheit bröckelte langsam. Dann brauchte sie sich keine Gedanken mehr zu machen, ob sie ihre Meinung ändern sollte. Ihre Röcke bauschten sich noch heftiger als zuvor, und das Pferd schnaubte und verfiel in Galopp, als ein Windstoß seinen Schweif hochriss.
Reginas Schrei blieb ihr in der Kehle stecken. Sie konnte nur versuchen, nicht herunterzufallen, denn der Braune ging durch. Sie spürte, wie sie aus dem Sattel glitt. Er galoppierte immer schneller, und ihr Versuch, sich festzuklammern, erwies sich als hoffnungslos. Der Schrei, den sie hatte ausstoßen wollen, brach nun heraus, als sie den Halt verlor und in den Schmutz fiel.
Sie landete so heftig auf Schulter und Rücken, dass es ihr den Atem verschlug. Als sie wieder atmen konnte, nahm sie die wunderbar beruhigende Luft in langen Zügen in sich auf. Sie betrachtete den verhangenen, bedrohlich wirkenden Himmel. Sehr vorsichtig setzte sie sich auf und erwartete eigentlich, dass ihre Glieder nicht mitmachen würden. Aber sie funktionierten, wenn auch mit leichtem innerem Protest. Erleichtert seufzte sie auf.
Das Pferd war verschwunden.
Obwohl sie sich überall umsah, konnte sie es nicht entdecken, auch das Haus war nicht zu sehen. Sie war sich nicht sicher, ob sie darüber erleichtert oder bestürzt sein sollte. Zitternd kam sie auf die Füße und sah zum Himmel hinauf. In der Ferne, wo der Ozean sein musste, war er ganz schwarz. Aber sie würde nicht kehrtmachen. Da sie nun schon so weit gekommen war, wollte sie nicht aufgeben. Abwechselnd rannte und ging sie weiter. Der Wind wehte jetzt in ihre Richtung und trieb sie von hinten an. Immer wieder blickte sie über die Schulter
Weitere Kostenlose Bücher