Schatten Der Erinnerung
Hügelrand kamen, blieben sie auf einer wunderbar glatten, milchfarbenen Düne stehen. Ein Pfad schlängelte sich zum Strand hinunter, wo sich vor ihnen ein kleiner Meeresarm öffnete. Zu beiden Seiten der Bucht gaben die Dünen den Blick frei auf goldbraun schattierte Felsen und hoch aufragende, kiefernbewachsene Klippen.
Sie genossen den Ausblick. Das Meer war von der Sonne gesprenkelt, Möwen segelten kreischend über ihnen, und die Brandung hob sich schneeweiß gegen den grauweißen Sand ab. Sie waren die einzigen Menschen weit und breit. Fast hatte es den Anschein, als wären sie ganz allein. Regina stockte der Atem angesichts der Erhabenheit dieser Landschaft.
Slade sagte nichts. Seit ihrer Zustimmung, ihn zu heiraten, hatte er kein Wort mehr gesprochen. Die Gewissheit über die bevorstehende Hochzeit hätte eigentlich ein gewisses Maß an Vertrautheit zwischen ihnen nach sich ziehen müssen. Statt dessen schien sie eher Verlegenheit und Anspannung gebracht zu haben. Regina hätte gerne gewusst, was er dachte, traute sich aber nicht, ihn danach zu fragen, denn in Wahrheit fürchtete sie sich vor seiner Antwort. Sie hoffte, dass er die Entscheidung, die sie getroffen hatten, nicht bereute. Ihr kam sie immer noch ungeheuer dumm vor. Doch sie bedauerte es nicht, seinen Antrag angenommen zu haben. Wie konnte sie auch? Er hatte sie gerettet, ihr angeboten, sie zu beschützen, und jetzt ließ sie sein leidenschaftlicher Antrag nicht los.
Sie versuchte, das Schweigen und die Spannung zu durchbrechen. »Ist das die Stelle, wo du schwimmst?«
»Ja, aber es ist nicht so ruhig, wie es aussieht sondern rau. Versuch ja nicht, dort zu schwimmen.«
Sie warf ihm einen verstohlenen Blick zu in der Hoffnung, dass er um ihr wohlergehen besorgt wäre. Sollte das jetzt noch nicht der Fall sein, dann würde sie das ändern, dazu war sie fest entschlossen. Er starrte auf das Meer hin aus, ohne sie anzusehen, vielleicht weil er nicht wollte oder nicht konnte. Vielleicht hielt er Ausschau nach China.
Sein scharfgeschnittenes Profil war vollkommen, einfach zu schön, um Worte dafür zu finden.
»Und die Wale?« fragte sie, nachdem sie nicht das geringste Anzeichen der riesigen Säugetiere sehen konnte.
Er zeigte auf die Nordspitze der Bucht. »Sie sind weg«, sagte er, und es gelang ihm nicht ganz, seine Enttäuschung zu verbergen. »Aber vorher waren sie dort draußen.«
»Oh«, erwiderte Regina, ebenfalls enttäuscht.
Slade sah sie immer noch nicht an. »Aber sie werden zurückkommen. Sie kommen immer wieder zurück, denn sie können von hier nicht wegbleiben.«
»Wie du?« fragte Regina leise.
Endlich wandte er sich zu ihr hin. »Ja«, sagte er mit rauer Stimme. »Wie ich. Gehen wir! Es hat keinen Sinn, länger hierzubleiben. Sie kommen weder heute noch morgen zurück, sondern erst im nächsten Jahr.«
Regina streckte ihre Hand aus und hielt ihn fest. »Wenn du weggingst dann würdest du auch erst nach einem oder zwei Jahren zurückkommen, oder?«
»Du scheinst verdammt viel über mich erfahren zu haben in den paar Tagen hier.«
»Wie hätte ich das, was Victoria gesagt hat überhören können?«
»Victoria zuzuhören lohnt sich nicht.«
»Slade, warum bist Du von zu Hause weggegangen?«
Er versteifte sich.
Regina war sich bewusst, dass sie äußerst verwegen vorging. »Du wirst immerhin mein Ehemann sein«, flüsterte sie.
Als Antwort stapfte er den Pfad hinunter, und Regina beeilte sich, ihm zu folgen.
Der Sand war tief und weich, so dass es ihr Schwierigkeiten bereitete, mit ihm Schritt zu halten.
Schließlich sprach er, ohne sie anzusehen. »Der Grund liegt bei Rick. Ich war es leid, mir ständig anhören zu müssen, wie verdorben ich sei.«
Reginas Herz zog sich zusammen. »Das kann ich nicht glauben. Ein Vater kann doch unmöglich seinem Sohn sagen, dass er verdorben ist.«
»Nicht mit so vielen Worten«, gab Slade zu. »Aber er ist immer auf mir herumgeritten. Für ihn war ich ein Versager, James dagegen vollkommen.«
»Rick liebt dich.« Die Worte brachen hervor, bevor sie ihnen Einhalt gebieten konnte.
Wütend wirbelte er herum. »Was zum Teufel weißt du denn davon?«
Sie zitterte, blieb jedoch standhaft. »Ich weiß, was ich sehe und höre.«
Er fluchte. »Wie lange bist du jetzt hier? Drei oder vier Tage? Du weißt überhaupt nichts!«
»Es tut mir leid«, sagte sie. Sie hatte vom ersten Augenblick an geahnt dass Slade ihre Meinung über sein Verhältnis zu seinem Vater nicht akzeptieren
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