Schatten Der Erinnerung
nur im Traum vorgestellt, dass ein Kuss so innig und mitreißend sein konnte. Seine Zunge traf auf ihre, und ihre Münder verschmolzen ineinander. Ihr Busen drängte sich gegen seine Brust, und er hielt sie fest gegen seine Lenden gepresst. Dort fühlte er sich heiß und hart an, und das hatte eine elektrisierende Wirkung auf sie.
Wieder rollte eine Welle auf sie zu. Größer und kühner als die anderen, brach sie sich kurz vor ihnen und flutete mit weißen Schaumkränen über sie hinweg. Slade sprang auf, riss Regina mit sich und ließ von ihrem Mund ab.
Regina schwankte, und ihr hämmerndes Herz brauste in ihren Ohren. Mühelos hob Slade sie auf seinen Armen hoch und watete ans Ufer.
Regina sah ihn verstohlen an. Sie war außer Atem und benommen. Die Wirklichkeit überwältigte sie, als Slade sie schließlich im warmen Sand auf ihre Füße stellte. Als sie gegen ihn taumelte, stützte er sie, hielt sie aber mit einer Hand auf Abstand.
Erwartungsvoll sah sie ihn an, doch sein Gesichtsausdruck blieb unergründlich. Von seiner Leidenschaft war jetzt nichts mehr zu spüren.
»Slade?«
Ein angespannter Zug legte sich um seinen Mund. Rasch glitten seine Augen von ihrem erwartungsvollen Gesicht hinunter zu ihren nassen, am Körper klebenden Sachen bis zu ihren nackten Zehen. »Wir müssen zurückgehen und uns umziehen.«
»Natürlich«. Sie zupfte an seinem Ärmel. »Ich habe nichts dagegen«, sagte sie tapfer. »Es stört mich nicht, dass du mich geküsste hast.«
Grimmig sah er sie an. Sein deutliches Missfallen machte sie fassungslos. Unvermittelt nahm er ihre Hand, aber in der Geste lag nichts Persönliches mehr. Da sie sich schwer tat in ihren nassen, schweren Röcken zu gehen, stützte er sie und führte sie wortlos den Strand hinauf zum Pfad. Regina war bestürzt und konnte nur an die wundervolle Vertrautheit zwischen ihr und Slade denken. Aber diese Vertrautheit war so schnell verflogen, wie sie gekommen war.
Kurz vor dem Abendessen kam Slade an ihre Türen. Sie waren geschlossen, damit sie ungestört sein konnte. Weit geöffnet wären sie ihr allerdings lieber gewesen, denn dann hätte sie die abendliche Meeresbrise genießen können.
Sie las, legte das Magazin aber beiseite, als sie Slades Stimme hörte. Ihre Handflächen wurden feucht. Schnell richtete sie ihr Haar, strich die Röcke glatt und ging zur Tür.
»Wir essen«, sagte er. »Ich wollte dich holen.«
Einen Augenblick lang rührte sie sich nicht. Seine Gegenwart strahlte eine rastlose, kraftvolle Energie aus, die den Raum erfüllte und sich auf sie übertrug. Sie fragte sich, ob sich seine Gedanken an diesem Nachmittag nur halb so viel mit ihr wie ihre mit ihm befasst hatten, bezweifelte es aber. Durch die geschlossenen Fliegentüren konnte sie sein Gesicht nur undeutlich wahrnehmen. Aber, und da war sie sicher, selbst wenn sie es deutlich hätte sehen können, würde sie in seinen Augen das, wonach sie sich sehnte, nicht finden.
Er machte eine ungeduldige Bewegung, daher schlüpfte Regina nach draußen. jetzt konnte sie Slade deutlich sehen.
Sein Gesichtsausdruck war verhalten. Was würde sie nicht alles für ein weiteres aufrichtiges Lächeln geben! Sie vermutete, dass es eine alte Gewohnheit von ihm war, seine Gedanken und Gefühle vor jedermann zu verbergen.
Aber sie ahnte, dass er sich besonders viel Mühe machte, sie vor ihr zu verstecken. Sie hoffte, dass der Tag bald kommen würde, an dem Slade seine Gefühle bereitwillig mit ihr teilen würde. Sie war entschlossen, diesen Tag herbeizuführen.
Was ihre Heirat anging, so waren Regina an diesem Nachmittag Zweifel gekommen. Ihr war bewusst geworden, dass es selbst unter günstigen Umständen nicht leicht war, mit einem Mann wie Slade verheiratet zu sein, geschweige denn unter so schlechten. Aber ihr Verstand vermochte es nicht, sie zu einer Meinungsänderung zu bewegen. Sie hatte ihr Schicksal in Freud und Leid mit dem seinen verbunden. Zu ihrer Beruhigung hätte sie sich gerade jetzt gewünscht, Slades sanfte Seite wieder zu erleben, aber ihr erwartungsvolles Lächeln bewirkte keine Änderung in seinem Gesichtsausdruck. Ein schrecklicher Gedanke überfiel sie. Sollten Slade heute nachmittag ebenfalls Zweifel gekommen sein?
Sie gingen über den Hof. Vor dem Esszimmer blieb er stehen und berührte sie leicht.
»Ich habe bis jetzt noch nichts gesagt. Niemand weiß es, aber ich werde es ihnen jetzt mitteilen.«
Sie hatte sich innerlich verkrampft und entspannte sich jetzt wieder. Er
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