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Schatten Der Erinnerung

Schatten Der Erinnerung

Titel: Schatten Der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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prächtiges Herrenhaus aus Stein inmitten von gewellten, saftig grünen Rasenflächen. Üppig kletterten rote Rosen die Mauern hoch. Dragmore, ihr Heim.
    Ganz deutlich tauchten die Gesichter ihrer Eltern, des Earl und der Countess of Dragmore vor ihr auf. Bei dem jungen Mädchen im Medaillon handelte es sich um die Countess.
    Sie war nicht Elizabeth Sinclair, sondern Regina Shelton.
    Sie ließ die Hände sinken, öffnete die Augen und lauschte ihrem wilden Herzklopfen. Eigentlich sollte sie begeistert sein. Ihre Erinnerung war ebenso plötzlich zurückgekehrt, wie sie abhanden gekommen war. Stattdessen saß sie vor Bestürzung unbeweglich da. Immerhin wusste sie jetzt, dass sie nicht Elizabeth Sinclair hieß. Ihre Vermutungen hatten sich bewahrheitet ...
    Sie brauchte einen Augenblick, um sich zu fassen, dann konnte sie wieder normal atmen. Sie war Regina Shelton und nicht mehr innerlich gelähmt. Eine große Erleichterung überflutete sie. Sie war Regina Bragg Shelton. Ihre Welt bestand nicht mehr aus einem leeren Raum, in dem sich nichts befand, kein dunkler Tunnel mehr, den sie, eine Blinde, zu durchqueren versuchte. Sie, Regina Shelton, stand nicht allein in der Welt. Sie hatte Eltern, die sie liebte, denen sie vertraute, auf die sie zählen konnte. Sie besaß zwei großartige Brüder und eine wunderbare Schwester, die Duchess of Clayborough. Außerdem hatte sie zahlreiche Verwandte hier in Amerika.
    Dann erinnerte sie sich wieder, wie mit dem Eisenbahnüberfall alles angefangen hatte, und erschauerte.
    Vollkommen bewegungslos saß sie da und erlebte erneut wie der Bandit die Frau in dem rosaweißen Kleid brutal beraubte, ihr die Ohrringe und die Halskette abriss. Sie zuckte zusammen, als sie sich lebhaft erinnerte, wie er dem jungen Gentleman mit seiner Pistole einen Schlag versetzt hatte. O Gott.
    Allein schon die Erinnerung daran ließ ihren Kopf schmerzen und ihr Herz mit der gleichen beklemmenden Angst pochen. Kein Wunder, dass sie sich vor der Erinnerung gefürchtet hatte. Kein Wunder, dass sie losgerannt und aus dem fahrenden Zug gesprungen war. Sie wagte nicht daran zu denken, was hätte passieren können, wenn sie nicht abgesprungen wäre und sich damit in Sicherheit gebracht hätte. Als letztes erinnerte sie sich, dass die Zeit stehengeblieben war, als sie durch die Luft geschleudert wurde und der Boden immer näher kam. Sie erinnerte sich, dass sie entsetzt geglaubt hatte, sie würde sich gleich das Genick brechen. Dieser Moment, unmittelbar vor dem Aufprall, war der letzte, an den sie sich erinnerte.
    Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, und tat beides. Für eine geraume Zeit schluchzte sie und erstickte gleichzeitig fast vor Lachen. Sie hatte sich den Hals nicht gebrochen, sie war dem fürchterlichen Verbrecher entflohen, und sie lebte. Mit verwegenem Mut hatte sie so gehandelt wie es eher zu ihrer Schwester, dem Wildfang, gepasst hätte als zu ihr, der überaus korrekten Regina Bragg Shelton. Wieder lachte sie vor Freude. Sie war Regina Bragg Shelton und nicht mehr allein auf der Welt.
    Mit einem Ruck richtete sie sich auf. O Gott! Ihre Familie musste sich größte Sorgen um sie machen. Sie war auf dem Weg zum Hotel in Paso Robles gewesen, um Onkel Brett und Tante Storm zu besuchen und die Bäder dort zu genießen. Danach wollte sie mit ihnen nach San Francisco reisen. Aber sie war niemals angekommen, sie war einfach verschwunden.
    Und Mrs. Schroener war tot! Sie lebte, aber diese reizende alte Frau war tot! Regina brach beinahe das Herz. Sie erinnerte sich, dass man ihr gesagt hatte, Mrs. Schroener habe versucht, sich dem Banditen, der sie verfolgte, in den Weg zu stellen. Erneut vergoss sie Tränen. Mrs. Schroener war bei dem Versuch, sie zu schützen, gestorben.
    Als Regina sich wieder etwas beruhigt hatte, begann sie sich Sorgen wegen ihrer Familie zu machen. Inzwischen waren ihre Eltern nach England zurückgekehrt und hatten sicher die Nachricht vom Verschwinden ihrer Tochter erhalten. Ihre Großeltern waren gewiss ebenfalls benachrichtigt worden. Sie mussten alle in höchster Aufregung sein. Zweifellos hatte eine umfassende Suche nach ihr begonnen. Sie musste ihre Großeltern, ihren Onkel und ihre Tante sofort über ihren Verbleib informieren. Ihre Eltern hatten sich gewiss auf dem nächsten Dampfer nach Amerika eingeschifft und waren jetzt auf dem Weg zurück über den Atlantik. Regina stellte sich vor, welche Angst sie hatten. Sobald sie amerikanischen Boden betraten, würden

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