Schatten Der Erinnerung
erhabenen Kathedrale in London wurde sie auf einer einfachen Ranch in Kalifornien getraut. Ihre Eltern, ihre Brüder, ihre Schwester und deren Mann nahmen nicht teil. Kein Mitglied ihrer Familie war da.
Regina trug ein einfaches weißes Kleid mit einem hohen, spitzenbesetzten Kragen und bauschigen Ärmeln. Es war sehr hübsch aber nicht die fantastische Kreation, die sie sich immer vorgestellt hatte. Sie hielt ein Bukett aus orangeroten Rosen im Arm, die von den Büschen im Hof draußen stammten. Nicht einmal einen Schleier hatte sie.
Nichts war so, wie sie es sich für ihre Hochzeit immer erträumt hatte. Aber jetzt war nicht der geeignete Augenblick, sich damit zu befassen, dass alles anders gekommen war, oder das zu bedauern und sich Gedanken über ihre Handlungsweise zu machen.
Seit sie in den Raum gekommen war, hatte Slade sie nicht angesehen. Steif stand er neben ihr, wie ein Soldat in Habachtstellung. Vorher aber, als sie an Ricks Arm erschienen war, sah er sie sehr genau an, musterte sie sogar eingehend, wobei seine Augen sichtbar aufleuchteten. Reginas Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Aber seine unverhohlene Bewunderung bei ihrem hübschen Anblick beruhigte sie. Doch nur vorübergehend. Als Richter Steiner dann mit der Zeremonie begann, waren ihre Nervosität und ihre Schuldgefühle wieder da.
Nun blickte Slade sie mit großen, zweifelnden Augen an, und Regina begegnete seinem Blick. Sie wusste, dass er ihr nie verzeihen würde, wenn sie jetzt nein sagen und ihn damit demütigen würde.
Aber konnte sie überhaupt ja sagen? War es richtig, mit der Täuschung weiterzumachen? Was sie tat, war falsch, so schrecklich falsch ...
Richter Steiner blickte zu ihr. Hinter ihnen hustete Rick, Victorias rosafarbenes Kleid raschelte, Josephine schniefte. Sie hatte den ganzen Tag geweint. Eine Bodendiele knarrte, als Edward sein Gewicht verlagerte. Slade neben ihr hatte sich wieder weggedreht und starrte geradeaus, steif und stumpf wie ein Märtyrer, der sich mit seinem Schicksal abgefunden hatte.
»Ja«, flüsterte sie.
Der Friedensrichter seufzte vor Erleichterung auf.
Regina betrachtete Slade. Tränen trübten ihren Blick. Sie hatte es getan, sie hatte das Unvorstellbare getan, den Mann, den sie liebte, getäuscht. Er wich ihrem Blick aus und starrte auf die Wand hinter dem Friedensrichter.
»Dann erkläre ich euch hiermit zu Mann und Frau«, sagte Richter Steiner. Er lächelte Slade an. »Sie dürfen die Braut jetzt küssen.«
Slade machte keine Anstalten, der Aufforderung nachzukommen. Um seinen Mund zuckte es. Regina schwitzte. O
Gott, sie hatte es getan! Aber ihr Zaudern hatte ihren Mann aufgebracht. Wie konnte sie ihm ihr Verhalten erklären? Schwieriger noch, wie sollte sie ihm später ihre Täuschung verständlich machen?
Jäh wandte sich Slade zu ihr, beugte sich vor und küsste sie flüchtig auf den Mund, streifte ihre Lippen nur ganz kurz. Die Berührung war schon zu Ende, noch bevor sie begonnen hatte. Er blickte sie kurz an. Regina konnte nur schwach zurücklächeln, wobei ihr eine Träne über die Wange lief. Sein Gesichtsausdruck spannte sich, und sie sahen sich für einen weiteren Augenblick an. Dann wischte er die Träne zu ihrer großen Überraschung mit der Spitze seines Zeigefingers von ihrem Gesicht, doch gleich darauf wandte er sich von ihr ab. In diesem Moment wurden sie von der Familie umringt.
Richter Steiner seufzte erneut.
Regina musste heftig schlucken. Schnell betupfte sie sich die Augen mit ihrem Taschentuch. Eventuelles Bedauern und Sorge hatten sich völlig in Luft aufgelöst. Sie war jetzt Slades Frau. Zumindest nahm sie das an und hoffte inbrünstig, dass es wirklich stimmte. Zwar hatte sie ihn unter falschem Namen geheiratet aber trotzdem stand sie, Regina, nun neben ihm und legte ihr Versprechen ab. Ihr, hatte er den Ring an den Finger gesteckt, nicht Elizabeth, Sinclair, und sie hatte gelobt ihn zu lieben und zu ehren für den Rest ihres Lebens, bis dass der Tod sie scheide.
Zitternd beobachtete sie, wie Edward Slade beglückwünschte. Im Gegensatz zu Slade lächelte Edward.
Über Edwards Schulter hinweg trafen sich ihre Blicke erneut, diesmal länger, und Reginas Atem stockte. Sie konnte aus seinem Gesichtsausdruck nicht schlau werden, ebenso wenig wie aus seiner zärtlichen Geste einen Augenblick zuvor. Sie betete darum, dass sie ihm etwas bedeutete. Weshalb sonst hätte er ihr die Träne abgewischt?
Egal, wie seine innersten Gefühle auch aussehen mochten,
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