Schatten Der Erinnerung
Sonnenlicht. Aber der Zug -fuhr jetzt noch schneller, und sie ängstigte sich noch mehr. Menschen waren da, schattenhafte, gesichtslose Menschen, furchteinflößende Menschen.
Jäh wachte sie auf. Schweißgebadet und zitternd knipste sie die Lampe neben ihrem Bett an. Es war nur ein Traum, redete sie sich ein. Aber die Beklommenheit ließ nicht nach. Sie hatte Kopfschmerzen. Dann dachte sie daran, wie wirklich alles gewirkt hatte, als ob es tatsächlich passiert wäre. Sie holte tief Luft und fragte sich, ob das ein Traum oder eine Erinnerung war.
Zitternd bedeckte sie ihr Gesicht mit den Händen. Das Gefühl, in einem Zug voller verängstigter Menschen zu sein, ließ sie nicht los. Sie konnte ihre panische Angst noch fühlen. Alles war so wirklich. Als ob es tatsächlich geschehen wäre Und sie vermutete, dass es sich so verhielt.
Was wäre, wenn ihre Erinnerung zurückkehrte?
O Gott, das wollte sie lieber nicht wissen!
In zwei Tagen würde sie heiraten, Slade heiraten. Es interessierte sie nicht, was während des Zugüberfalls geschehen war, und, wichtiger noch, sie wollte sich auch nicht an James oder ihre Gefühle für ihn erinnern. Am meisten zählte, dass sie nicht wissen wollte, wer sie war - nur für, den Fall, dass sie nicht Elizabeth Sinclair war.
Regina stand auf, um ihr schweißgetränktes Nachthemd zu wechseln. Sie zitterte noch am ganzen Körper. Es gelang ihr nicht, das beklemmende Angstgefühl loszuwerden. Sie musste sich damit auseinandersetzen. Eigentlich war sie sicher, dass sie sich an den Zug und den Überfall erinnerte und nicht nur davon geträumt hatte. »Ich will mich nicht erinnern!« jammerte sie verzweifelt. »Ich bin Elizabeth!«
Sie riss die Schublade ihrer Kommode auf und versuchte ihre aufkommende Panik zu unterdrücken. Blindlings zo sie ein anderes Nachthemd heraus. Dabei fiel etwas a den Boden das in den Falten gesteckt hatte.
Regina starrte auf ihr Medaillon.
Sie stieß einen Schrei aus und kniete sich nieder. Es war dasselbe Medaillon, das ihr gestern aus dem Koffer gestohlen worden war. Sie drückte es an ihre Brust froh darüber es wiederzuhaben, als ob es von immenser Bedeutung wäre. Trotzdem war sie bestürzt dass sie es zwischen Sachen gefunden hatte, nachdem es gestohlen worden war Ihr Blick huschte über ihre verriegelten Zimmertüren zum Flur und die ebenfalls abgesperrten Türen zum Hof.
Egal, wer der Dieb des Medaillons war, er hatte sich erschlossen, es zurückzubringen. Wer immer es gestohlen hatte, war ein weiteres Mal in ihrem Zimmer gewesen Derjenige, der es an sich genommen hatte, war zu dem Schluss gekommen, dass er oder sie es nicht mehr brauchte. Aber warum? Welche Aufschlüsse konnte dieses Medaillon geben?
Mit einem Wimmern öffnete Regina es. Das hübsche Mädchen, das ihr von der Daguerreotypie entgegensah, war ihr unbekannt. Aber bei seinem Anblick machte ihr Herz wie zur Begrüßung einen Sprung. Sie drehte das Medaillon um und sah auf die Initialen RS. Plötzlich durchbohrte ein derart heftiger Schmerz ihren Kopf, dass ihr schwindlig wurde und sie taumelte.
Sie ahnte, dass sie, wenn sie die Augen schließen und nachdenken würde, wüsste, wer die junge Dame in dem Medaillon war.
Regina sprang auf und lief in wilder Aufregung im Zimmer herum, während das Medaillon noch am Boden lag.
Wusste der Dieb, wer sie war? Hatte er das Schmuckstück aus diesem Grund zurückgebracht?
Das Bild des jungen Mädchens drängte sich ihr mit Macht auf. »Ich bin Elizabeth!« rief sie erneut. Sie hielt sich die Ohren zu und kniff die Augen zusammen.
Sie konnte eine Lokomotive in einen Bahnhof tuckern sehen, auf deren Seiten die Worte Southern Pacific Coast Line in Gold aufgemalt waren. Regina begann zu keuchen. Sie hatte sicher schon hundert Züge wie diesen in hundert derartige Bahnhöfe einfahren sehen. Das war sicher keine Erinnerung, sondern lediglich Fantasie.
Da überkam sie eine deutliche Erinnerung. Sie trug ihr wunderschönes Ensemble in Elfenbein und Weiß, das gleiche Kostüm, das sie bei ihrer Ankunft in Templeton angehabt hatte - am Tag des Raubüberfalls. Es war weder schmutzig noch fleckig, noch zerknittert, sondern frischgebügelt und makellos sauber. Sie bestieg einen Zug. Der Bahnhof war überfüllt, und es herrschte geschäftiges Treiben. Aber sie war nicht allein. Neben ihr stand eine in Marineblau und Weiß gekleidete kleine ältere Frau. Mrs. Caroline Schroener.
Regina schluchzte.
Auf dieses Bild folgte unmittelbar ein weiteres. Ein
Weitere Kostenlose Bücher