Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)
geleistet.«
Mit diesen Worten verließ er mich.
Seine Schritte waren diesmal nicht zu hören und keine einzige Bodendiele gab
unter seinem Gewicht nach.
Ich war wieder allein, ohne sie, und
die Dunkelheit erfüllte jede Faser meines Körpers. Nur ein Licht, nur sie, war
in der Lage, mich zu erleuchten und ich hatte sie für immer verloren.
Diese wunderbare Frau, die ich aus
meinem Leben verbannt hatte, um sie zu beschützen. Und ich vermisste sie schon
jetzt. Jeder Gedanke galt ihr und meine Sinne waren von den Erinnerungen an sie
erfüllt.
Ja, ich hatte die Chance bekommen,
Abschied von meiner Liebe zu nehmen. Aber das änderte nichts daran, dass es
eben ein Abschied war. Ein Abschied, bei dem es keinen weiteren Weg gab,
keinen weiteren gemeinsamen Weg.
Alles was ich wollte war, dass es ihr
gut ging, auch wenn das für mich die Verdammnis bedeutete. Und ich wollte sie
sehen – ich musste.
Ohne auch nur das kleinste Geräusch
zu erzeugen, entschwand ich durch die Haustür und machte mich auf den Weg. Die
Dunkelheit hatte sich bereits über die Stadt gelegt.
Es war Zeit – meine Zeit – unsere
Zeit.
Die Finsternis umhüllte mich, nahm
mich in sich auf und gab mir Geleit. Ich durchpflügte die Straßen, ließ alle
pulsierenden Lichter an mir vorbeiziehen. Schließlich war ich nicht auf der
Jagd, ich war auf dem Weg zu ihr. Ich verspürte keinen Hunger. Mein einziges
Verlangen galt ihr. Die anderen kümmerten mich nicht, nichts kümmerte mich, bis
auf ihr Wohlergehen. Ich wäre für sie gestorben, um sie zu beschützen und auch
wenn mein Fortgehen größten Schmerz hinterließ, es war ihre einzige Chance. Diesen
Preis zu bezahlen, so hoch er auch sein mochte, ich war bereit dazu, wenn sie
nur in Sicherheit wäre. Ich hätte alles für sie getan, auch wenn sie es nicht
wusste, es nicht einmal ahnte. Auch wenn sie dachte, dass ich ohne sie weiter
leben wollte .
Das hier hatte nichts mit einer Wahl
zu tun. Mein ganzes Leben hatte seine Entscheidungsmöglichkeit verloren. Es war
der einzig gangbare Weg, um sie unbeschadet leben zu lassen. Auch wenn das beinhaltete,
dass ich selbst ein Leben in Einsamkeit führen würde.
Das war der Preis und ich würde ihn
bezahlen, ohne Diskussion, ohne Widerworte, ohne Zögern. Schließlich ging es um
sie, meinen größten Schatz, die Liebe meines Lebens.
Ein Leben, das beendet war. Ein Neues
hatte sich angeschlossen. Ein Leben ohne sie , doch niemals würde jemand
diesen Platz ausfüllen können.
Ich schlich mich durch die
Dunkelheit, wurde eins mit ihr, als mir eine ältere Dame mit ihrem Hund
entgegen kam. Ohne darüber nachzudenken, wich ich ihr aus. Doch sie bemerkte mich
nicht einmal. Niemand tat das. Ich stand direkt neben ihr, unsere Arme
streiften beinah einander und sie nahm keinerlei Notiz von mir. Für sie alle
war ich - waren wir – nicht da. Sie, die normalen Menschen, konnten uns nicht
einmal sehen. Ich wusste es, doch daran gewöhnt hatte ich mich nicht.
Das Gesicht des kleinen Jungen
blitzte in meinen Gedanken auf. Der Junge, der zwei Wochen lang von einem
widerlichen Dreckskerl gefangen gehalten worden war. Wir hatten ihn gerettet,
seinem Gegenüber das verdiente Ende gebracht und er hatte uns nicht mal
gesehen.
Dabei hatte ich direkt vor ihm
gestanden. Er hatte am ganzen Leib gezittert und alles was ich wollte, war ihn
zu beruhigen, ihm zu sagen, dass nun alles gut werden würde, dass er bald
wieder zu Hause sei. Er hatte mich nicht gehört. Er hatte mich nicht gesehen.
Er hatte einfach durch mich hindurch geblickt, weil ich für seine Sinne nicht
existierte.
Alles was blieb, war ein etwas zu
dunkel geratener Schatten, ein Trugbild, eine Illusion, eine dunkle Masse, die
das Licht verdrängt. Keiner machte sich Gedanken darüber, wer diesen Schatten
warf.
Für die normale Welt, die normalen
Menschen existierten wir nicht. Wir selbst erkannten uns untereinander. Wir
sahen auch die Anderen , sahen was sie wirklich waren. Aber im Gegensatz
zu uns, konnten sie sich normal in dieser Welt bewegen, einem glücklichen Leben
nachgehen. Wir hingegen waren die Gefangenen der Dunkelheit. Die Geschichte
hatte uns im Laufe der Zeit viele Namen gegeben. Die Griechen hatten Charon,
die Japaner nannten uns Shinigami, die Gläubigen des Vodoo verehrten Baron
Samedi und Menschen mit einem Hang zur Romantik nannten uns Todesengel. So
viele Namen, so viele Geschichten, am Ende blieb nur eines – die Dunkelheit,
der Tod, die Einsamkeit. Wir waren die ungewollte
Weitere Kostenlose Bücher