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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Norda
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    »Hast du gefunden, wonach du gesucht
hast?« Das warme Tempre von Johanns Stimme erfüllte den Raum und ließ mich vor
Schreck zusammenzucken.
    Ich wusste nicht, wie lange ich schon
auf das Foto vor mir gestarrt hatte. Das Foto meiner Mutter, als sie noch eine
glückliche und lebensbejahende Frau gewesen war, bevor sie für ein halbes Jahr
verschwunden war. Ich hatte damals die Zeit bei meinen Großeltern in Rostock
verbracht. Über ein halbes Jahr hatte ich bei ihnen gelebt und alles was sie
mir erzählten war, dass es meiner Mutter sehr schlecht ging. Sie sei im
Krankenhaus und ich dürfte sie nicht besuchen. Über ein halbes Jahr ging das so
– und ich dachte schon, ich würde sie nie wieder sehen.
    Als sie schließlich aus dem
Krankenhaus entlassen worden war, war nichts mehr von der einst so
lebenslustigen Frau übrig geblieben. Es hatte keinen Unterschied gemacht, ob
sie lebte oder gestorben wäre. Sie war nur eine leblose Hülle ihrer selbst. Wir
zogen weg, Hals über Kopf. Einzig einen kleinen Stoffhasen durfte ich
mitnehmen.
    Was hatte Richard mit meiner Mutter
zu tun? Was hatte er meinen Vater angetan? War er es gewesen, der ihn damals
geholt hatte? War er deshalb auf mein Wohlergehen bedacht, weil er derjenige
gewesen war, der meine Kindheit mit einem glücklichen Elternhaus zerstört
hatte?
    Noch immer Stand Johann in der Tür
und wartete auf meine Reaktion. Ich spürte wie ungebändigter Hass in mir
aufkochte. Johann wusste es, er war in die dunklen Geheimnisse von Richard
eingeweiht gewesen und er hatte mich in diese Schlangengrube geworfen.
    Mit einem großen Satz, die Schatten
der Bücherregale ausnutzend, stand ich binnen einer Sekunde direkt vor ihm und
schmetterte ihm meine Faust ins Gesicht.
    Wie ein Sandsack ließ Johann den
Schlag über sich ergehen und bewegte sich keinen Zentimeter.
    »Ich habe dir vertraut!«, schrie ich
und holte zum nächsten Schlag aus, als mich wiederum seine Arme packten und
gute zwei Meter von sich wegstießen.
    Unsanft landete ich auf dem Parkett.
Ich wollte mich gerade wieder aufrappeln, als ich den Druck seines Schuhs auf
meiner Brust spürte.
    Mit dem Gewicht eines
Einfamilienhauses fixierte er mich auf dem Boden und ich war unfähig zu entkommen.
    »Du hast es immer noch nicht
verstanden, habe ich Recht?«, fragte er und minimierte dabei eine Spur das
Gewicht auf meinem Brustkorb. »Ich werde dich jetzt loslassen. Solltest du auch
nur den kleinsten Versuch unternehmen mich nochmals zu schlagen, dann fliegst
du in den Schrank – mein Bruder.«
    Mit diesen Worten trat er beiseite
und ich konnte meine Lunge wieder spüren. Ohne mich eines weiteren Blicks zu
würdigen, ging Johann zum Schreibtisch.
    Ich hörte, wie seine Finger über die
Tasten sausten und meine Vermutung, dass er das Passwort kannte, bewahrheitete
sich beim Klang es Anmeldetons.
    »Ich habe ja immer gedacht, du bist
der Schlauere von uns beiden«, witzelte er und war bereits im Begriff zu gehen.
Ich konnte ihn gerade so am Arm packen, um ihm am Gehen zu hindern.
    »Was wird hier gespielt?«
    »Meine Geschichte gegen seine. So war
der Deal. Ich musste ihm versprechen, dir nichts zu erzählen.«
    Ich konnte kaum glauben, was er da
sagte.
    »Du hieltest es also nicht für
angemessen, mir zu sagen, dass er meinen Vater getötet hat?« Wir konnte er nur
aufrechten Hauptes vor mir stehen?
    »Du solltest nicht so voreilige
Schlüsse ziehen. Lies!« Er zeigte auf den aufgeklappten Laptop auf dem Tisch.
Der kurze Moment der Unachtsamkeit in dem ich seinem Kopfwink folgte genügte,
dass er sich aus meinem Griff löste und in Windeseile die Tür hinter sich
schloss.
    Kurz blickte ich ihm nach. Wie von
selbst führten mich meine Schritte hinter den Schreibtisch und erneut nahm ich
auf dem Lederstuhl Platz.
    Der Bildschirmschoner war
verschwunden und es offenbarte sich der Blick auf den Desktop. Eine Vielzahl
von Dateien und Ordnern waren zu erkennen. Alle trugen Namen unserer früheren
Missionen.
    Und es gab eine weitere Datei. Eine
Datei, die mir direkt ins Gesicht sprang, eine Datei die einzig einen Namen
trug – meinen Namen. Der Mauszeiger bewegte sich zitternd auf das Ziel zu und
zwei Tastendrucke später offenbarte sich mir ein Brief. Ein Brief von Richard.
     »Mein lieber Sohn Robert« – weiter kam ich nicht, es war wie
ein Schlag ins Gesicht.
    Alles brach zusammen. Der Zorn, die
Wut, die Trauer, die Einsamkeit – ein endloser Strudel breitete sich in mir
aus, ich hörte das Rauschen des

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