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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Norda
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Blutes in meinen Ohren, spürte wie es durch
meine Adern gepumpt wurde. Er war von meinem Blut.
    Er war mein Vater.
    Er war mein Vater und er war fort.
Für immer gegangen, verloren, ausgelöscht.
    Er war derjenige gewesen, der das
Foto gemacht hatte. Er war derjenige, den meine Mutter so freudig anstrahlte.
    Er war es gewesen, den ich nach
meinem Aufwachen, nach der Erweckung in mein zweites Leben, als erstes erblickt
hatte. Und nun war er fort. Und mit ihm blieben nichts als Fragen zurück.
    Meine Mutter war die Frau gewesen,
die Richard nach seinem eigenen Tod, in seinem neuen Leben immer wieder besucht
hatte, genauso wie ich es mit Emilia getan hatte.
    Sie war fast gestorben – die Frau,
die er immer wieder in ihren Gedankten besucht hatte. Das war der Grund
gewesen, warum er von mir gefordert hatte, das mit Emilia zu beenden. Weil
seine Liebe bei dem Versuch, den Kontakt nicht abbrechen zu lassen, beinah
gestorben wäre.
    Diese Frau – meine Mutter – ich
wusste nun was mit ihr passiert war.
    Andere hatten sie gefunden. Andere
hatten um ein Haar ihr Leben beendet, weil sie mit einem von uns zusammen war.
Aber es war nicht der bevorstehende Tod, der sie so verändert hatte.
    Richard war es gewesen – die Trennung
von ihm, der endgültige Abschied.
    Ich ließ mich in den Sessel
zurücksinken und versuchte den Schleier zu verdrängen, der drohte mich in eine
Ohnmacht zu reißen. Ich hatte ihn gekannt. Ich hatte meinen Vater gekannt. Ich
hatte an seiner Seite gekämpft, war seinem Rat gefolgt. Ich hatte ihm vertraut
– ohne die leiseste Ahnung zu haben, wer er war. Und er hatte nichts gesagt,
nicht einmal erwähnt.
    Was war so schwer daran gewesen?
Warum hatte er es verschwiegen? Warum war kein einziges Wort über seine Lippen
gekommen?
    Ich hätte ihn gebraucht! Ja – er war
an meiner Seite gewesen. Aber das Wissen darum, dass er mein Vater war, hätte
viele der Situationen, denen ich in den letzten Wochen ausgesetzt war,
zumindest etwas den Schrecken genommen.
    Er hatte nichts gesagt. Er hatte
geschwiegen – und er würde für immer schweigen.
    Ich wand mich dem Bildschirm zu. Ich
musste ihn lesen, den Brief von Richard, den Brief meines Vaters an mich.
    »Mein lieber Sohn Robert,
    wenn du diese Zeilen zu Gesicht
bekommst, dann haben die Beobachter ihr Urteil gefällt. Es tut mir leid, dass
du es auf diese Weise erfahren musst. Wie gern hätte ich mich dir offenbart,
hätte dir gesagt, wer ich wirklich bin. Doch das wäre viel zu gefährlich
gewesen, für dich und für die anderen beiden.
    Niemals hatte ich damit gerechnet,
dass es ausgerechnet meinen Sohn treffen würde. Das ausgerechnet du das
Schicksal mit mir teilen würdest. Ich hatte immer gedacht, die Sache wäre mit
meiner Geschichte abgeschlossen. Aber offenbar meinte es das Schicksal schlecht
mit uns.
    Ich wollte dir immer ein guter Vater
sein, auch wenn uns die Zeit viel zu schnell voneinander getrennt hatte. Ich
wollte der Vater an deiner Seite sein, der dir zeigt, was gut und was schlecht
bedeutet, der dir beim Ballspielen die Regeln erklärt, der dir vermittelt, was
Gerechtigkeit heißt. All dies konnte ich in deiner Kindheit nicht tun.
    Ich hoffe, ich konnte zumindest in
deinem zweiten Leben einiges meiner Verfehlungen wieder wettmachen. Egal was
andere über dich sagen, egal wie du dich selbst manchmal fühlst – wir sind
keine Monster und was viel wichtiger ist, wir sind keine willenlosen
Marionetten. Wir haben immer die Wahl und es bestimmt unser selbst, was wir
daraus machen. Noch immer sind wir im Besitz unseres freien Willens. Lass dir
von der Bürde, die uns übertragen wurde, nicht dein Innerstes, dein Selbst
stehlen. Lass nicht zu, dass du ein seelenloser Schatten deiner selbst wirst,
wie manch anderer unserer Art. Lass dich nicht zu einem bloßen Werkzeug machen,
das keinerlei Entscheidung mehr selbst fällt und nur noch den eigenen Trieben
gehorcht.
    Auch wenn ich sicherlich nicht in der
Lage bin, Forderungen an dich zu stellen, so tue ich es doch. Ich bitte dich
nur um eines, kümmere dich um die anderen und pass auf sie auf. Sie sind jetzt deine
Familie, die Einzige, die dir noch bleibt. Ich weiß, welch eine große Bürde ich
dir damit übertrage, aber ich traue sie keinem anderen zu als dir – meinem
Sohn.
    Und um noch etwas muss ich dich
bitten. Dass die Beobachter über mich gerichtet haben, war allein meine
Entscheidung. Ich traf diese im vollen Bewusstsein und war mir immer über die
Konsequenzen meines Handelns im

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