Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)
er würde auch nicht mehr erscheinen.
Etwas fiel klirrend zu Boden. Es
schlug zwei Mal auf – blonk – blonk – und blieb kreiselnd vor meinem nackten
Fuß liegen.
Es war mein Ring – mein Ehering.
Still lag er vor mir, fast
vorwurfsvoll. Er hatte immer fest und sicher auf meinem Finger geruht. Ich
starrte auf meine Hand. Er war mir einfach vom Finger gerutscht und ich blickte
auf die hervortretenden Sehnen. Meine Hand sah dürr aus, zerbrechlich.
Und als ich wieder in den Spiegel
sah, als ich richtig hinsah, betrachtete ich eine ausgezerrte Frau,
deren Wangen eingefallen waren, deren Augen tief in ihren Höhlen lagen und
deren Schlüsselbeine weit herausragten. Ich erkannte mich kaum wieder. Diese Frau
war mir fremd und doch war ich es.
Ich hatte in den letzten Wochen, in
den letzten 21 Tagen kaum etwas gegessen. Ich konnte einfach nicht. Ich ertrug
es nicht und mit jedem Bissen war der Schmerz wieder da, der jede Zelle meines
Körpers aufzufressen schien. Immer wieder, wenn ich den Geschmack von Essen in
meinem Mund spürte, dachte ich an den Abend vor 504 Stunden. Der Abend, an dem
er mir erklärt hatte, wie man kocht. Der Abend, in dem er dafür sorgen wollte, dass
ich klar kam. Der Abend, an dem er mich verlassen hatte.
Er hatte versagt.
Ich hatte nicht für mich gesorgt und
nun zeichneten sich bereits meine Rippen ab.
Vorsichtig hob ich den Ring auf. Wie
ein kleiner goldener Schatz glänzte er in meiner Hand und das Licht der Lampe
brach sich in den Facetten des Steines, der in ihn eingelassen war. Ein
kostbares Gut, dass mich niemals vergessen lassen würde, wusste ich doch,
welche Botschaft er in sich trug. Ich hielt ihn schräg gegen das Licht, um mich
seiner Inschrift zu vergewissern.
Doch da war nichts mehr. Die
Innenseite war blank poliert und nur die Einkerbung des Goldgehaltes war noch
zu erkennen.
Er hatte mir auch das genommen. Er hatte mir alles genommen.
Ich ließ mich auf dem Badewannenrand
nieder und drehte den Ring immer wieder im Kreis, in der Hoffnung, die Worte
einfach nur übersehen zu haben. Unsere Worte, unser Schwur, unser Versprechen.
»Für immer und länger«
Behutsam legte ich den Ring auf den
Waschbeckenrand. Ich brauchte ihn nicht mehr. Wie alles andere hatte er
keinerlei Bedeutung mehr, war nur noch ein einfacher, schmaler Goldreifen.
Robert hatte sich nicht daran
gehalten. Er hatte sein Versprechen gebrochen. Er hatte mich verlassen.
Es war nicht für immer. Es war
vorbei.
Kapitel 23
September – vor zwei Jahren
Ich konnte kaum atmen, mein Körper
gehorchte mir nicht mehr. Ängstlich und verwirrt sah mich die Frau an. Ihre
blonden Haare waren kunstvoll hochgesteckt und ihre blauen Augen schienen von
innen heraus zu leuchten. Unwirklich, elfenhaft, stand sie vor mir – mein fremdes
Spiegelbild.
Doch das war ich, einfach nur ich. Ich
erkannte mich selbst nicht wieder. Würde er mich so überhaupt erkennen?
Würde er eine fremde Frau sehen und sich fragen, wo die seine sei?
Kaum das der Stoff des Kleides meine
Haut berührt und sich um meinen Körper geschlungen hatte, erfasste mich eine
latente Panik. Es gab keinen Funken Ruhe mehr in mir. Und aus dem zu Beginn
noch verborgenen Gefühl war eine übermächtige Macht erwachsen, die mich
vergessen ließ zu atmen.
Warme Hände umfassten meine freien
Schultern von hinten und neben diese wunderschöne Frau trat ein wundervoller
Mann im schwarzen Smoking, dessen Anblick mein Herz aussetzen ließ.
Auch er war aufgewühlt, das konnte
ich in seinen Augen lesen. Das Blut pulsierte schnell durch seine Adern und ich
spürte die leichten Vibrationen seines Herzschlages auf meiner Haut.
Aber im Gegensatz zu mir war sein
Blick erfüllt von tiefster Entschlossenheit. Diese Sicherheit, diese Zuversicht
– das raubte mir noch mehr den Atem. Wie konnte er sich nur so sicher sein?
»Du kannst deine Meinung noch ändern«,
flüsterte er mir ins Ohr und ich spürte, dass er es ernst meinte. Er liebte
mich so sehr, dass er mir selbst diese Wahl ließ.
»Niemals«, entgegnete ich und der
Ausdruck der Frau im Spiegel gewann an Stärke. Ich sah ihm tief in die Augen.
Er ließ mir die Wahl und doch hatte
ich das Gefühl, dass es hierfür keinerlei Alternativen gab. Ich gehörte genau
hier hin, an seine Seite. Es gab keinen anderen Platz für mich. Kein anderer
Platz könnte richtiger sein. Ich würde ihn heiraten.
Ein Lächeln huschte über sein
Gesicht. »Womit haben ich das nur verdient? Eine wunderschöne, kluge,
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