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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Norda
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ihn, als einen Bruder, nicht als
einen Geliebten. Aber er verstand es nicht, verrannte sich in etwas und es tat
weh, ihn so zu sehen. Warum nur konnte er nicht glücklich sein und mich in
meiner Entscheidung unterstützen, wie es Freude füreinander taten?
    Ich drehte mich zur Tür und hämmerte
mit aller Kraft dagegen. »HALLO? IST DA JEMAND?« Erneut trommelte ich gegen das
Holz. »ROBERT! HÖRST DU MICH! ICH BIN HIER!!! ROBERT!!!«
    Seelenruhig beobachtete Michael das
Schauspiel und machte keinerlei Anstalten, mir zu helfen.
    »Du hast es nicht einmal versucht. Du
hast es nicht einmal darauf ankommen lassen, ob nicht doch ich die
richtige Wahl gewesen wäre.«
    »Das ist jetzt nicht dein Ernst oder?
Das sagst du mir heute? Am Tag meiner Hochzeit?« Warum sagte er so etwas? Er
war mein engster Freund, zählte das denn nichts?
    Er trat einen Schritt auf mich zu und
war mir auf einmal ganz nah – zu nah für meinen Geschmack. Ich roch sein
überkandideltes Aftershaves und spürte seinen Atem auf meiner Haut.
    »Wovor hast du solche Angst? Das ich
Recht haben könnte? Dass ich es bin und nicht er, der an deine Seite
gehört?«
    Nur noch wenige Zentimeter trennten
unsere Gesichter voneinander.
    »Ich irre mich nicht.«
    »Ach ja«, entgegnete er unterkühlt
und schnellte vor. Fest presste er seine Lippen auf meine und zwang mir einen
herrischen Kuss auf. Mit aller Kraft drückte ich gegen seine Brust und wollte
mich von ihm lösen. Doch er verstand es als Aufforderung und legte seine Arme
um mich, damit er mich noch fester an sich pressen konnte.
    Ich bekam einen Arm frei und
schmetterte meine Hand gegen sein Gesicht. Er ließ von mir ab und starrte mich
mit ungläubigen Augen an.
    »Ich sagte doch, dass ich mich nicht
irre«, zischte ich ihn an. Bei meinem Schlag war mein Ehering über sein Gesicht
geratscht und nun prangte auf seiner rechneten Wange eine blutende Schmarre.
    Er verstand es nicht, sah es nicht so
wie ich, aber wie sollten wir diesen unendlich anmutenden Graben überwinden? Er
empfand Liebe, ich Freudschaft. Er wollte mehr, als ich zu geben bereit war. Zerrüttet,
zerbrochen, zerstört – das war alles, was uns blieb.
    Und dann hörte ich seine Worte, seine
Stimme, Roberts Stimme. »Emilia? Emilia wo bist du?!« Es klang ganz leise, er
schien unendlich weit entfernt zu sein, doch ich hämmerte immer wieder gegen die
Tür und rief seinen Namen. Er würde mich hören, er würde mich finden, er würde
mich befreien.
    Als die Tür aufgezogen wurde fiel ich
direkt in Roberts Arme. Er war allein und völlig außer Atem. Ich lehnte mich noch
fester an seine Schulter und er strich mir beruhigend über den Rücken.
    »Was ist passiert? Du warst auf
einmal verschwunden und ich habe dich überall gesucht.« Roberts Stimme klang
voller Sorge.
    »Michael wollte nur altes Brauchtum wieder
aufleben lassen, das ist alles.« Ich drehte mich ein letztes Mal zu meinem
Entführer um. »Sofern ich mich recht erinnere, muss der Brautentführer die Feier
verlassen, wenn der Bräutigam erfolgreich war.«
    Ich ergriff Roberts Hand und ging mit
ihm zusammen wieder in den Festsaal.

Kapitel 24
     
    Die Zeit war so unbarmherzig. Immer
weiter kroch sie voran, ließ einem keine Zeit sich zu erholen, zu regenerieren.
Ich wollte wieder heilen. Ich wünschte mir nichts mehr, als den Schmerz hinter
mir zu lassen, dass er für immer verschwinden würde. Aber ich wollte nicht vergessen,
ich konnte nicht. Wir waren eins gewesen, eine Einheit, wie sollte ich das
jemals abstreifen können?
    Ich musste an die Frau aus der
Trauergruppe denken. Ich konnte mich nicht mehr an ihren Namen erinnern, aber
an ihre Geschichte. Sie hatte die Geburtsurkunde und den Totenschein
nebeneinander eingerahmt, damit sie niemals vergessen würde.
    Es ging zwar nicht mehr darum, seinen
Tod zu verarbeiten – er war freiwillig gegangen – aber vielleicht war es
zumindest etwas, an dem ich mich festhalten konnte.
    Der Totenschein steckte immer noch in
meiner Handtasche. Ich hatte ihn die ganzen letzten Wochen und Monate mit mir
herumgetragen. Dabei wusste ich selbst nicht mehr warum. Wahrscheinlich hatte
ich einfach nicht mehr an ihn gedacht. Es wäre nicht der erste Zettel gewesen,
der in den Untiefen meiner Handtasche abgetaucht war.
    Ich ging an den Schrank, in dem wir
all unsere persönlichen Unterlagen gesammelt hatten. Mietverträge, Quittungen
für die Steuererklärung, Lohnzettel, Versicherungsunterlagen – und unsere
Geburtsurkunden. Ich wusste genau,

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