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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Norda
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wo ich suchen musste. Alles war in einer mit
rotem Leder bespannten Mappe zusammengeheftet.
    Doch als ich die rote Mappe
aufschlug, fand ich zwar meinen Beweis dafür, dass ich vor 25 Jahre
geboren worden war, aber seiner war weg – verschwunden. Immer wieder blätterte
ich die Seiten durch, aber alles was ich fand, waren Unterlagen mit meinem
Namen und nicht dem seinen. Es musste doch hier irgendwo sein! Ich war mir ganz
sicher.
    Vor zwei Jahren, als wir unsere
Hochzeit beim Standesamt angemeldet hatten, hatten wir einen wahren Marathon
durch die Bürokratie vollzogen. Robert hatte damals Ines nach seiner
Geburtsurkunde gefragt, doch sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wo sie
sie verstaut hatte. Also waren wir extra nach Rostock, seiner Geburtsstadt,
gefahren und hatten uns die Urkunde neu ausstellen lassen. Und weil das alles
so aufwendig gewesen war, hatten wir alle Dokumente nochmals kopiert und in die
rote Mappe geheftet, damit beim nächsten Mal, man wusste ja nie, wann man das
alles nochmal gebrauchen könnte, ein Griff genügen würde.
    Doch dieser Griff hatte nicht genügt.
Ich legte die Mappe zur Seite und durchwühlte den Rest des Schrankes. Immer
mehr Blätter fielen auf den Boden, immer größer wurde der Berg, der sich vor
meinen Füßen auftürmte und immer leerer wurde der Schrank. Ich fand alles
Mögliche, nur nicht das Gesuchte. Unterlagen, von denen ich nicht einmal
wusste, dass sie existierten, tauchten auf.
    Aber seine Geburtsurkunde blieb
verschwunden.
    Ich kniete mich nieder und
durchwühlte alles nochmals von neuem, aber sie blieb unauffindbar. Der Boden
war übersät mit Blättern und Mappen.
    Der Beweis seiner Geburt war einfach
verschwunden, wie alles andere auch.
    »DU VERDAMMTER MISTKERL!«
    Ich nahm einen großen Stapel Papier
in meine Hände und zerriss den belanglosen Mist. Die Papierkanten schnitten mir
tief in die Handflächen und einige Tropfen Blut benetzten das unschuldiges Weiß.
    »Also gut. Wenn du es so willst, ich
kann auch anders.«
    Voller Entschlossenheit ging ich an
meinen Laptop und suchte die Nummer des Standesamtes in Rostock heraus. Es
klingelte eine halbe Ewigkeit und ich dachte schon, niemand würde abnehmen, als
sich eine säuerlich klingende Frauenstimme am anderen Ende meldete.
    »Ja bitte?« Waren den Beamten
inzwischen auch schon die Wörter einer Begrüßung abhandengekommen?
    »Schönen guten Tag. Bin ich dort
richtig bei dem Standesamt der Stadt Rostock?« Den freundlichen Schein wahren
und sich nicht auf die Stimmung des Gegenübers einlassen – darin hatte ich
Übung.
    »Natürlich sind sie das.« Sie nahm
ihre Bezeichnung als Bedienstete des Landes wohl sehr ernst, wohlgemerkt des
Landes und nicht der darin lebenden Bürger.
    »Ich benötige die Geburtsurkunde
meines Mannes Robert Dryker geborener Schmidt. Könnten Sie mir diese zusenden?«
    »Der Versand von personenbezogenen
Daten ist nicht gestattet. Gegen persönliche Vorlage einer Vollmacht können Sie
die Unterlagen bei uns beantragen«, sagte sie und klang dabei wie ein Roboter,
der einen einstudierten Text herunterbetete.
    »Ich kann Ihnen leider keine
Vollmacht meines Mannes vorlegen. Er ist tot.«
    Stille.
    »Hallo? Sind Sie noch dran?«, fragte
ich in den Hörer.
    »Wenn das so ist, dann bringen Sie
die Sterbeurkunde mit. Erscheinen Sie zu den regulären Öffnungszeiten«, sprach
sie und legte auf. Ich hörte nur noch das Tuten der freigewordenen Leitung.
    Kurz überschlug ich die Distanz
zwischen der Frau am Telefon und mir. Von Leipzig nach Rostock brauchte ich
circa dreieinhalb Stunden. Ich griff nochmals zum Telefon und wählte diesmal
die Nummer von Herrn Merckel, meinem Chef.
    »Merckel?«, meldete sich dieser prompt.
    »Hallo Herr Merckel, Emilia Dryker
hier. Herr Merckel ich habe einige wichtige persönliche Angelegenheiten zu
klären und würde morgen gern einen Tag Urlaub nehmen.«
    »Na endlich! Ich dachte schon der Tag
würde nie kommen. Nehmen Sie sich so viel Zeit wie Sie brauchen Emilia.«
    »Ich werde nur einen Tag benötigen.«
    »Also sind Sie immer noch
unvernünftig wie mir scheint.« Er seufzte. »Na gut, wir sehen uns dann
Mittwoch. Sagen Sie Bescheid, wenn Sie es sich doch noch anders überlegen.«
    Das wäre also erledigt. Ich würde
morgen früh nach Rostock fahren, um dann in der Nachmittagssprechstunde endlich
Gewissheit zu erlangen.
    * * *
    »Ping – Nummer 63 bitte in Raum drei
melden«, schallte es aus dem Lautsprecher.
    Jemand stupste mich in die Seite.

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