Schatten der Liebe
ihr gar nicht zugehört, stellte er kühl fest: »Du magst mich nicht, Meredith, wie?«
Meredith dachte einen Augenblick über seine Worte nach. Sie war seine Tochter - und er hatte versucht, jeden ihrer Atemzüge zu überwachen, jeden einzelnen Tag ihres Lebens für sie zu vorauszuplanen. Niemand hätte sagen können, daß er sich nicht um sie gekümmert oder sie vernachlässigt habe, denn er hatte seit ihrer Kindheit wie ein Adler über sie gewacht. Soviel hatte er dabei zerstört, und doch hatte er nur aus Liebe gehandelt - aus einer besitzergreifenden, sie erdrückenden Liebe heraus. »Ich liebe dich«, antwortete sie ausweichend und lächelte ihn sanft an, um die Schärfe aus den folgenden Worten zu nehmen: »Aber vieles, was du tust, gefällt mir nicht. Du verletzt Menschen, ohne darüber nachzudenken, genauso wie Matt es tut.«
»Ich tue nur, was nötig ist«, erwiderte er und zog seinen Mantel an.
»Im Moment ist es nötig«, erinnerte Meredith und stand auf, um ihn zur Tür zu begleiten, »daß du umgehend den Schaden wiedergutmachst, den du in Glenmoor und bei der Baubehörde von Southville angerichtet hast. Wenn das geschehen ist, kann ich wieder mit ihm reden und alles in Ordnung bringen.«
»Und du glaubst wirklich, daß er sich damit zufrieden gibt und in die Scheidung einwilligt?« erwiderte er sarkastisch.
»Doch, das glaube ich. Matthew Farrell will die Ehe mit mir ebensowenig aufrechterhalten wie ich. Im Moment will er seine Rache, aber er ist bestimmt nicht so dumm, sein eigenes Leben durcheinanderzubringen, nur um mich und dich zu ärgern. Hoffe ich. Also«, schloß sie, »versprichst du mir jetzt, daß du dich morgen ans Telephon setzt und den Bauausschuß dazu bringst, Matts Antrag stattzugeben?«
Er sah sie an, offensichtlich nicht bereit, ihrem Wunsch zu entsprechen. »Ich werde darüber nachdenken.«
»Das reicht nicht...«
»Mehr kann ich dazu jetzt nicht sagen.«
Er blufft, entschied Meredith nach einer eingehenden Studie seines Gesichtsausdrucks und drückte ihm erleichtert einen Kuß auf die Wange. Als er gegangen war, setzte sie sich aufs Sofa. Über eine Viertelstunde starrte sie gedankenverloren auf die verendende Glut im Kamin, dann fiel ihr plötzlich ein, daß sie von Parker, dem sie vorher telefonisch alles erzählt hatte, informiert worden war, daß der Vorstand von Bancroft's morgen über den Interimspräsidenten abstimmen würde. Er selbst wollte sich in dieser Angelegenheit der Stimme enthalten - seiner Beziehung zu Meredith wegen. Heute abend war sie jedoch zu erschöpft, um sich darüber noch weitere Gedanken zu machen.
24
Am folgenden Nachmittag verließ Meredith gegen halb zwei die Werbeabteilung und machte sich auf den Weg zurück in ihr Büro. Seit heute morgen drehten sich alle Leute, denen sie begegnete, nach ihr um, und sie kannte den Grund dafür sehr genau. Wütend drückte sie den Knopf für den Aufzug und dachte an Sally Mansfields unverschämtes Geschwätz, das in der heutigen Morgenausgabe der Tribune zu lesen war:
Für die Freunde und Bekannten von Meredith Bancroft, die sehr erstaunt waren, als sie auf dem Opernbenefiz vor zwei Wochen Matthew Farrell, den begehrtesten Junggesellen Chicagos, eiskalt schnitt, gibt es eine schockierende Neuigkeit: Das Paar speist gemeinsam an einem der intimen hinteren Tische von Landry's. Matthew Farrell ist weiß Gott ein begehrte Mann - am selben Abend begleitete er die hinreißende Alicia Avery zur Premiere von Der Widerspenstigen Zähmung im Little Theater.
In ihrem Büro angekommen, öffnete Meredith ihre Schreibtischschublade mit einem ärgerlichen Ruck und verfluchte innerlich erneut die Klatschkolumnistin, die eine enge Freundin von Parkers Ex-Frau war. Hinter diesem Bericht über ihr Treffen mit Matt stand nichts anderes als die Absicht, Parker wie einen Trottel dastehen zu lassen, der demnächst von seiner Verlobten betrogen würde.
»Meredith«, unterbrach Phyllis' gespannte Stimme ihre Gedanken. »Die Sekretärin von Mr. Bancroft hat angerufen. Er läßt Sie bitten, sofort in sein Büro zu kommen.«
Meredith und Phyllis blickten sich an: Das konnte nur bedeuten, daß die Entscheidung gefallen war, wer ihren Vater während seiner Abwesenheit vertreten würde.
Ihre Vermutung bestätigte sich, als sie vor dem Büro ihres Vaters alle anderen Vizepräsidenten versammelt sah - darunter auch Allen Stanley, der die letzten Wochen in Urlaub gewesen war.
»Miss Bancroft«, sprach die Sekretärin ihres Vaters
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